In der Ankündigung der
33. Duisburger Radwanderung stand unter anderem dies:
Parallel zur Radwanderung findet auf der Königstraße ein Fahrradmarkt statt. [...] Das Verkehrssicherheits-Netzwerk "Duisburg. Aber sicher!" wird dort über die Gefahren informieren, die im "toten Winkel" von Lkw und Bussen für Radfahrer lauern.
Jau, mit den Leutchen muss ich mal reden, vor allem nach
dieser Geschichte! Meine Hoffnung dabei war, dass sich das
Victim Blaming der Duisburger Polizei (die neben Stadt, DVG, DEKRA, Verkehrswacht und Bürgerstiftung Teil dieses Netzwerks ist) als vereinzelter Ausrutscher entpuppen würde, dass ich vor Ort auf Menschen treffen würde, die einer sachlichen Schilderung der anderen Perspektive aufgeschlossen gegenüber ständen. Dass hinter der allgemeinen Schuldzuweisung an die Radfahrer Methode stecken könnte – undenkbar!
Olaf war von der Idee nicht begeistert, er hatte schon eine Vorahnung. Also absolvierten wir erst die Tour und kamen anschließend entspannt und gut gelaunt auf dem Fahrradmarkt an. Mit einer hochgradig interessierten Karo und einem widerstrebenden Olaf im Schlepptau marschierte ich schließlich beim Netzwerk "Duisburg. Aber sicher!" auf. Sie hatten die Zugmaschine eines großen Sattelschleppers ausgestellt und deren Tote Winkel durch Flatterbänder und Kreidestriche markiert:
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Als wir gegen halb vier dort aufschlugen, waren noch zwei DEKRA-Mitarbeiter vor Ort, denen man ansah, dass sie sich dringend nach Hause sehnten. Verständlich, der Tag war lang, und niemand arbeitet gern am Sonntag. Einer der beiden saß hinterm Steuer, der andere hielt gerade einem älteren Ehepaar einen Vortrag, den er an diesem Tag vermutlich zum x-ten Mal wiederholte. Wir gesellten uns dazu und lernten viel Neues über das allgemein übliche suizidale Verhalten von Radfahrern im Straßenverkehr. Man glaubt ja gar nicht, wie viele Verrückte sich immer wieder vor roten Ampeln in halbmeterbreiten Lücken zwischen stehenden LKW und Bordstein durchdrängeln! Und dann bleiben die da eingequetscht auf der Straße voll im Toten Winkel des Fahrers stehen, fahren bei Grün zeitgleich mit dem Laster los und wundern sich dann, wenn sie überfahren werden! Das ältere Paar war sichtlich beeindruckt, wir drei dagegen leicht befremdet.
Olaf, Karo und ich fahren in Summe seit über 100 Jahren Rad, aber ein solches Verhalten hat noch keiner von uns jemals in freier Wildbahn beobachten können. Nur in
diesem Video, für das unser Radreporter zu Recht eine Menge Kritik einstecken musste und bei dem die beteiligten LKW-Fahrer (hoffentlich!) vorher vom Filmteam gewarnt wurden. Dabei sehen wir durchaus eine Menge Vollidioten auf Fahrrädern (in Hamburg noch deutlich mehr als im Ruhrgebiet), darunter auch hin und wieder welche, die sich mit ihrer Fahrweise wirklich in Lebensgefahr bringen. Uns ist auch klar, dass keine Aktion idiotisch genug ist, dass sich nicht irgendwo auf der Welt doch jemand finden würde, der sie ausführt. Aber dass der quasi freiwillige Hechtsprung unter die Zwillingsreifen eines 40-Tonners unter Radfahrern weit verbreitet sein soll, war uns neu. Den Hinweis, dass sich die Situation bei den 2014 in Duisburg überrollten Radfahrern ganz anders dargestellt hatte, konnte ich mir nicht verkneifen. Das war nicht als Kampfansage gemeint, kam aber offenbar so an.
Die anschließende recht einseitige Diskussion zwischen dem Herrn von der DEKRA und mir lässt sich nur als surreal bezeichnen. Ein Jammer, dass es keine Aufzeichnung davon gibt! Zusammenfassend kann man jedenfalls feststellen, dass Radfahrer völlig wahnsinnig sind, wenn sie auf Radweg oder -streifen im freien Sichtfeld eines LKW-Fahrers fahren und daraus frech ableiten, er müsse sie gesehen haben. Schlimmer noch, diese Verrückten "
pochen auf ihre Vorfahrt" (d.h. die tun genau dasselbe wie jeder Autofahrer an einer grünen Ampel: bilden sich ernsthaft ein, sie könnten einfach fahren, wo der Wartepflichtige sie doch gesehen hat und die Regeln kennt)! Und nein, es ist völliger Blödsinn, dass LKW-Fahrer in der Ausbildung lernen würden, vorausschauend zu fahren und den Verkehrsraum vorn rechts vor dem Abbiegen im Auge zu behalten! Dazu sind die auch überhaupt nicht verpflichtet, die müssen sich schließlich auf so viel anderes konzentrieren! Nur gut, dass die Kollegen von der Schwesterorganisation DEKRA-Akademie das alles nicht gehört haben. Die bringen ja demzufolge den angehenden Truckern totalen Stuss bei, angefangen bei § 1 StVO.
Nach der ersten Verblüffung fand ich unerwartet Gefallen an der Rolle der geistig beschränkten Blondine, die mir da zugedacht wurde. Sparte mir also den Hinweis auf meine langjährige Ingenieurerfahrung im Bereich Fahrzeugtechnik und machte lieber runde Kulleraugen. Jeder meiner schüchternen "Ja, aber…"-Sätze (von denen ich keinen beenden durfte) löste einen weiteren Wortschwall aus, und mein ursprüngliches Mitgefühl wegen der Sonntagsarbeit verdunstete in der schwachen Nachmittagssonne.
Auf dem Heimweg zeigte sich Karo gebührend beeindruckt von dem Schauspiel. "Wow Mama, das war, als ob du ganz oft 'Jehova!' gesagt hättest!". Tja, vielleicht habe ich das, aber mit diesem Steinhagel aus geballtem Unsinn aus dem Mund eines Mitarbeiters einer Sachverständigenorganisation trotzdem nicht gerechnet. Olaf schon, er wunderte sich nur über meine Verwunderung. "War doch klar!". Echt, war es das? Okay, in Anbetracht der Illusionen, die ich im Vorfeld tatsächlich noch über die hehren Ziele solcher "Aufklärungskampagnen" hatte, war ich für die Rolle des kulleräugigen Dummerchens wohl doch die passende Besetzung!