Pingpong um den Radschnellweg Ruhr (Ber.+Bilder)

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Pingpong um den Radschnellweg Ruhr (Ber.+Bilder)

Beitragvon VeloC » 21.06.2019, 11:53

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Von Duisburg nach Dortmund über den Radschnellweg Ruhr (RS1) fahren? Ursprünglich hatte es bereits 2020 soweit sein sollen. Dass es in mehreren Städten, Beispiel Duisburg, zu Verzögerungen bei der Planung kommt, weil dort keine ehemalige Bahntrasse zur Verfügung steht, und die Grundstücksfragen Objekt zäher Verhandlungen sind, ist noch nachvollziehbar. Die Stadt Essen stellt allerdings einen Sonderfall dar: Hier könnte zwischen der City und der östlichen Stadtgrenze der RS1 komfortabel auf der stillgelegten Trasse der Rheinischen Bahn geführt werden und längst fertig oder mindestens im Bau sein. Stattdessen blockieren die lokale Politik und Verwaltung jedoch aktiv die Planungen und schieben sich mit weiteren Beteiligten gegenseitig die Schuld an der jahrelangen Verzögerung zu. Am Sonntag, den 16. Juni, spielten engagierte Radfahrer dieses unwürdige Pingpong-Spiel realitätsnah am derzeitigen Ausbauende südlich der Essener Uni nach. Olaf, Karo und ich waren dabei.

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Zunächst gab es eine Terminkollision: Für den 16. Juni hatten Olaf und ich zu einer Rollertour unter dem Motto "Ruhrgebiet West mit Radschnellweg" eingeladen und bereits eine Reihe Zusagen erhalten. In Absprache mit den Teilnehmern wurde das Programm dann kurzerhand erweitert: Ruhrgebiet West mit Radschnellweg-Demo! Um 11:00 trafen sich zwei Kölner, vier Essener, zwei Duisburger, ein Bochumer und eine Hernerin (Karo, inzwischen auf eigenen Füßen) am westlichen Ausbauende des künftigen RS1 hinter der Hochschule Ruhr West (HRW) in Mülheim.

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Auf diesem erst Mitte Mai eröffneten Abschnitt kann man den angehenden Radschnellweg bereits in seinem vollen NRW-Ausbaustandard bewundern: Eine vier Meter breite Fahrbahn mit Mittelstreifen, von einem zwei Meter breiten, ebenfalls asphaltierten Fußweg durch einen taktilen Streifen getrennt, das Ganze durchgehend beleuchtet und alle paar Meter mit dem Logo des RS1 markiert.

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Östlich des Mülheimer Hauptbahnhof geht es direkt neben der Bahnlinie entlang. Hier gibt es ein paar Engstellen und mehrere gepflasterte Abschnitte, weil dort wichtige Leitungen der DB verlaufen, deren Zugänglichkeit gewährleistet sein muss.

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Der größte Teil dieses Abschnitts sieht jedoch aus wie im folgenden Bild: eine vier Meter breite Fahrbahn, von dem Fußweg mit wassergebundener Decke durch einen Streifen aus grobem Schotter getrennt. 2021 soll der komplette Teil zwischen Mülheimer Hauptbahnhof und Uni Essen auf Radschnellweg-Standard ausgebaut werden. Dann brauchen auch die Fußgänger nicht mehr durch den Staub zu laufen.

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Nachdem wir im Essener Westen das derzeit am schlechtesten ausgebaute Stück der Rheinischen Bahn – eine anderthalb Kilometer lange Schotterpiste Baujahr 2009 – passiert haben, erreichen wir den Niederfeldsee in Essen-Altendorf. Hier gibt es immerhin ein sechs Meter breites Asphaltband, wenn auch mit gemeinsamer Führung für Fußgänger und Radfahrer. Der Niederfeldsee wurde vor wenigen Jahren künstlich angelegt, um den Brennpunkt-Stadtteil Altendorf lokal aufzuwerten. Dafür wurde auf einer Länge von rund 300 Metern der Bahndamm abgetragen, so dass auf beiden Seiten lange und recht steile Rampen entstanden. Die einst angedachte zusätzliche Brücke in Hochlage über den See wurde verworfen, weil sie Schatten auf den tiefer gelegenen Hauptweg geworfen hätte. Stattdessen baute man die Brückenköpfe zu Aussichtspunkten aus.

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Das am See gelegene Bistro Radmosphäre ist immer einen Zwischenstopp wert, aber diesmal sind wir in Eile. Sein Inhaber Holger Kesting ist im übrigen auch Leidtragender der Essener Sabotage des Weiterbaus. Als man ihn vor einigen Jahren bat, sein Bistro direkt am Niederfeldsee zu eröffnen, wurde ihm versprochen, dass ab 2017 (!) der Radschnellweg weiter Richtung Osten gebaut werde, was für das Lokal eine weit höhere Publikumsfrequenz bedeutet hätte, als es nun auf Jahre hinaus der Fall ist. Darum hat er auch die geplante Demo großzügig mit Würstchen und Getränken unterstützt.

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Pünktlich um 11:55 (eine Demo unter dem Motto 5 vor 12! gab es ja bereits zum selben Thema) kommen wir am östlichen Ausbauende an. Die Tischtennisplatten stehen schon bereit.

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Die Rollen der Entscheidungsträger, die sich gegenseitig die Verantwortung für die Blockade des Weiterbaus zuschustern, sind schnell verteilt. Karo verkörpert die Firma Evonik, die wegen ihres Bahnanschlusses ein wichtiges Wort mitzureden hat. Udo als pensionierter Bahnbeamter ist die perfekte Besetzung für die Deutsche Bahn. Ich übernehme den Part des CDU-Fraktionschefs im Essener Rat, der am lautesten den ersatzlosen Abriss des Bahndamms fordert und deswegen im späteren Spielverlauf seinen Schläger gegen einen Klappspaten eintauschen darf. Ebenfalls im Spiel sind der Essener Oberbürgermeister, der Planungsdezernent, der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Straßen.NRW sowie die pro Radverkehr engagierten Bürger.

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Nach den Regieanweisungen von Cheforganisator Frank vom AK Bürgerradweg spielen wir die traurige Geschichte des sabotierten Weiterbaus des Radschnellwegs an der Pingpong-Platte nach. Gar nicht so einfach, halbblind durch die Maske mit einem Klappspaten den Ball zu treffen!

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Zum Abschluss gibt es noch ein Gruppenfoto, das der anwesende Reporter der TAZ mit seiner Drohne schießt. In den nächsten Wochen wird es in der TAZ eine Sonderseite zum Thema Radschnellweg geben.

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Wir sind inzwischen ziemlich in Zeitverzug geraten und müssen jetzt zusehen, dass wir weiterkommen. Ein paar Kilometer geht es auf derselben Strecke zurück, dann biegen wir in Essen-Schönebeck auf die Talroute ab. Der Name täuscht ein wenig, denn zunächst geht es hoch über den Frintroper Berg, erst danach in das namensgebende Hexbachtal. Dieses wunderschöne Naturschutzgebiet entlang der Stadtgrenze Essen/Mülheim hatte vor Jahren eigentlich der Durchstreckung der A31 zum Opfer fallen sollen. Eine rührige Bürgerinitiative konnte das jedoch verhindern; ein Beispiel, das Mut macht bezüglich des Radschnellwegs. Am Nordende der Talroute überqueren wir die Emscher-Bahnlinie auf einer "vandalismussicheren" Überführung.

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Dahinter erstreckt sich das riesige Brachgelände neben dem Centro, das der seinerzeit amtierende Oberhausener OB für einen Spottpreis einem angeblich potenten Investor zugeschustert hatte, der mit der Entwicklung jedoch völlig überfordert war. Auf die zahlreichen versprochenen Arbeitsplätze wartet Oberhausen noch heute. Östlich davon liegt das künstlich gestaltete neue Bett des Läppkes Mühlenbachs, der im Zuge des Emscherumbaus renaturiert werden soll.

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Ein paar Meter weiter sind wir schon am Rhein-Herne-Kanal angekommen, wo es unter anderem den Gasometer und eine interessante Brückenlandschaft zu sehen gibt.

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Dem RHK folgen wir bis Duisburg und wechseln dort auf den RuhrtalRadweg, der uns wieder zum Startpunkt zurückführt. Mit vier Leuten kehren wir zum Abschluss noch im Restaurant Ronja im alten Ringlokschuppen ein. Die Salate dort, ob süß oder herzhaft, sind einfach unschlagbar!

All in all war es eine schöne, durchaus anspruchsvolle Tour über rund 46 Kilometer mit wenig Berührungen zum Autoverkehr. Als nächstes steht nun das mittlere Ruhrgebiet unter der Führung von Udo auf dem Plan. Wir sehen uns am 20. Juli!

alle Fotos von Olaf
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Re: Pingpong um den Radschnellweg Ruhr (Ber.+Bilder)

Beitragvon Knud » 22.06.2019, 21:40

Sehr coole Aktion. Hoffen wir mal, dass zusammen mit der Presse etwas Bewegung in den Ausbau kommt.

Knud
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Re: Pingpong um den Radschnellweg Ruhr (Ber.+Bilder)

Beitragvon VeloC » 22.06.2019, 21:54

Danke Knud! Wir bleiben dran. :P
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Re: Pingpong um den Radschnellweg Ruhr (Ber.+Bilder)

Beitragvon VeloC » 31.07.2019, 19:13

Hier der angekündigte TAZ-Artikel zum Radschnellweg:

https://taz.de/!5609926/

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