Es gibt so Tage, da läuft einfach nix zusammen... heute war so ein Tag...
Letzte Woche hatte ich mir eine Überlastungsverletzung am Mittelfuss zugezogen (so etwas wie die Vorstufe zu einem Ermüdungsbruch). Laufen geht für 4-6 Wochen nicht mehr und so ärgerte ich mich, die Rennen in Elmshorn und Volksdorf ausfallen lassen zu müssen. Der Arzt war da recht eindeutig... In der Woche konnte ich hier und da leicht auftreten, so dass meine Hoffnung wuchs, irgendwie teilnehmen zu können. So richtig viel besser wurde es nicht... das Rennen in Elmshorn fiel aus.. ich war nicht wirklich traurig... Dann am Morgen vom Rennen in Volksdorf die Diskussionen mit der Frau, die sich berechtigterweise Sorgen macht, dass es unvernünftig ist, mitzumachen. Ja, versucht mich zu überzeugen, mich zu pflegen, gesund zu werden. Warum ich sie liebe? Weil sie trotzdem 4 Std. in der Kälte rumsteht, mir zuguckt wie ich durch den Dreck fahre, hört wie ich jammere und milde lächelnd und wissend zu mir schaut, wenn ich am Abend wehleidig meine Knöchel mit Coldpacks versorge.
Aber nun mache ich mich fertig... Verband, Tape.. alles drum gemacht, was Stabilität und Sicherheit vorgaukelt und noch gerade so in den Radschuh gekommen. Ibuprofen-600.. ich schmecke Farben.
Auf der Streckenbesichtigung zwischen den anderen Rennen sah ich schon, dass ich hier und da würde absteigen müssen. Der Gedanke tat mir schon weh... Bis dahin gings aber irgendwie und ich fasste Hoffnung.
Ich traf Fülle, der sich bei dem Schietwetter schon früh als Zuschauer an der Strecke zeigte und leider wegen einer Grippe ausfiel. Dann erspähte ich BriMore und mad.mat, sowie Janibal und wechselte ein paar Worte. Janibal machte mir Mut: "Ich bin mit gebrochenem Zeh gefahren.. das geht alles". Ich nickte bestätigend zu Sabine hinüber. "Siehst Du Schatz? Gebrochen! ... und er lebt!". Ich sehe hochgezogene Augenbrauen.
Dann ging es an die Aufstellung. 2. Reihe und der Start war diesmal sogar ok, denn ich bog als 10.-12. in die erste Kurve. Nun nahm das Debakel seinen Lauf... Anstiege, die ich bei den Warmup-Runden mühelos hochfuhr, gerieten zu Bollwerken des Frusts. Ständig musste ich absteigen, strauchelte, rutschte, verfuhr mich ins Geäst. Ich konnte zwar 2-3 Fahrer überholen, wurde dann aber von Fahrern überholt, die technisch versierter waren. Nach der ersten Runde war ich noch auf dem 10. Platz, wie mir mad.mat zurief, dann rutschte ich aber langsam nach hinten. Nach der ersten Runde hatte meine Hinterradbremse bei einem Sturz wohl etwas mitbekommen und reagierte nur noch sporadisch. Nun versuchte ich mit der Vorderradbremse auszugleichen bzw. mitzubremsen und brach häufig vorne aus, was zu weiteren Stürzen und Routen weit ab von der Ideallinie führte.
Hinter mir machte sich Unmut breit. Auf den längeren Geraden konnte ich meinen Vordermann überholen, in den Kurven und Anstiegen packte ich mich hin und er fuhr fluchend an mir vorbei. Das ging 2-3 Runden so, bis der arme St. Paulianer dann endgültig an mir vorbei war. Eine Runde konnte ich noch an seinem Hinterrad bleiben, dann überschlug ich mich bei einem Baumstamm, den ich die Runden zuvor noch im halben Sprung gepackt hatte.
Grandios die Leute von St. Pauli... "Veit"?, der ein paar Meter vor mir fuhr, wurde angefeuert... und ich auch?.. Das ist der Spirit! Die Jungs zelebrieren den Sport!
Auch meine Verletzung meldete sich zusehends. Jedes Absteigen wurde zur Tortur. Mal lief ich mit dem linken Fuss auf dem Aussenrist, mal auf der Hacke, mal vergaß ich es und wurde schmerzhaft erinnert, dass etwas nicht in Ordnung war. Doch es gab 2 grandiose Momente pro Runde.. das war die anfeuernde Gruppe mit mad.mat. Ob "La-Ola-Welle" oder anpeitschende Rufe. Ich musste jedesmal Lachen, nachdem ich den Abschnitt passierte. Ich grinste schon immer in mich hinein, wenn ich seine gelbe Flandern-Mütze aus der Entfernung sah. Was haben sie diesmal vor? Ihr wart echt super Leute! Darum tut man sich den Scheiss auch an....
Dann die Glocke... doch kein Ruf nochmal alle Kräfte zu mobilisieren... keine Chance... und kein Weckruf an die Muskeln.. vielmehr eine läutende Andeutung des Endes der Qual. Einmal noch versuchen, so gut es geht durchzukommen.. einmal noch versuchen, den Hintermann nicht mehr vorbeizulassen und einmal noch den Schmerz ertragen, der sich im Körper immer breiter macht. Die Stürze haben ihre Zeichen hinterlassen. Die Oberschenkelprellung pocht, die Lendenwirbel stechen bei jeder Unebenheit scharfe Messer in den gekrümmten Körper. Der Fuss? Ein Glück.. er wird taub.
Irgendwo zwischen 15. und 20. passiere ich die Ziellinie und verfluche mich in diesem Moment, nicht einfach mal zugeschaut zu haben. Warum nicht einmal mit in der La-Ola-Welle stehen? Warum nicht einfach mal so ein Event als Zuschauer zelebrieren? Ja... das ist meine Schwäche.. das muss ich lernen. Dafür macht man so etwas mit.. um sich selber Stück für Stück, Teil für Teil besser kennenzulernen.. zu verstehen.. an sich zu arbeiten.
Sabine bringt mir einen Glühwein, während ich humpelnd wie ein geprügelter Hund aus dem Zielbereich gehe. "Lass uns nach Hause"... murmel ich und kippe den süssen heissen Saft hinunter.
Das sind diese Tage... wo nichts läuft... man eine Ohrfeige nach der anderen bekommt und sich fragt, warum man den Zirkus mitmacht... Warum? Wegen zwei Dingen! 1. La Ola! und 2. wegen diesen hammergeilen Keksen die Sabine und ich am Abend noch auf das Backblech gezaubert haben!
Kekse gehen immer!
Gruss
Peer
p.s. der Totenkopf-Keks ist für die St.Paulianer!