24 Stunden von Nortorf '10 (Berichte)

Benutzeravatar
Halvtreds
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 210
Registriert: 23.05.2006, 12:38

24 Stunden von Nortorf '10 (Berichte)

Beitragvon Halvtreds » 27.06.2010, 21:03

<b>Erste 24 Stunden von Nortorf am 26./27.06.2010</b>

Eigentlich wollte ich ja nicht mitfahren: Als Bernd Schmidt von der RSG Mittelpunkt mir im Winter den Streckenverlauf erklärte, war mir sofort klar, dass der Buckel bei Heinkenborstel in meiner Gewichtsklasse spätestens ab der dritten Runde zur Spaßbremse werden würde. Irgendwie stand ich dann trotzdem auf der Meldeliste – und ich habe es nicht bereut.

Das Ganze ging nach dem Start um 10:00 vor der VR-Bank (dem Sponsor) wie gewohnt hektisch los und ich hatte Glück, dass ich irgendwie Schwierigkeiten hatte in die Pedale einzuklicken, sodass die große Gruppe schnell unerreichbar wurde. Also gleich mal auf 24 Stunden Einzelzeitfahren einrichten und den eigenen Rhythmus finden. Die Beine waren schon die ganze Woche maulig und ich brauchte zwei Runden bis es flüssig lief. Wie so oft bei den ganz langen Touren fiel ich erstmal in ein inneres Loch: Wie soll ich mich motivieren jede Stunde die Runde erneut anzugehen? Ich war noch keine hundert Kilometer gefahren und Reststrecke bzw. -zeit erschienen unendlich lang.

Nach vier Runden unterbrach ich meine Fahrt und ging erstmal in die Cafeteria, wo die fleißigen Helfer der RSG Mittelpunkt ein umfangreiches Angebot an kalten und warmen Speisen für die Teilnehmer bereithielten. Mit einer Portion Nudeln im Bauch ging ich auf die nächste Runde und fing an, mir Gedanken zu machen: Ich bin ja nicht der Schnellste, also die Pausenzeiten kurz halten, um mich gut zu plazieren. Es entstand der Plan: Alle 3 Runden kurzer Versorgungsstopp, keine Schlafpause und dann mal sehen was geht.

Abends um acht hatte ich fast 300 km hinter mich gebracht und legte eine etwas größere Pause ein, um Körper und Material auf den Nachtbetrieb einzurichten: In Ruhe essen, Reflexweste und Arm- und Beinlinge an, Licht vorbereiten. Als dann gegen halb zehn die Sonne langsam unterging, hatte ich mich innerlich gut auf den Rest eingerichtet. Meine Rundenzeiten verlängerten sich zwar langsam, aber die befürchtete Dramatik im Anstieg bei Heinkenborstel hielt sich in Grenzen – fuhr ich halt langsam rauf und wurde dabei regelmäßig von den schnellen Teamfahrern deklassiert. Aber ich fuhr ja alleine und meine direkte Konkurrenz der Einzelfahrer sah ich über die ganze Zeit sehr selten.

Mein Ziel stand jetzt auch fest: die 500 km knacken. Da fehlten ja nur noch 200 und ich hatte noch fast 12 Stunden Zeit – also eigentlich nicht sehr ambitioniert, doch die Nacht ist lang und die Kräfte schwinden langsam. Es war Vollmond, doch im Wald und unter den Bäumen konnte schon die Sonne uns nicht ins rechte Licht setzen, dort war es jetzt stockdunkel. Beeindruckend war auf den offenen Streckenabschnitten mein vager Schatten im Mondlicht neben der vom Scheinwerfer ausgeleuchteten Straße. Später zog Bodennebel auf – gräsig kalt, wenn man durch so eine Nebelbank fuhr.

Während der ganzen Nacht war am Nordhimmel ein deutlich heller Fleck von Orange bis Tiefblau zu sehen – wunderschön über der Kulisse von Feld und Wald mit Nebelbänken. Schon bald stieg die Sonne wieder auf und zauberte mit den Nebelbänken tolle neue Bilder in die Landschaft und ich fragte mich manches Mal „Träumst du jetzt oder ist das die Wirklichkeit?“ Das sind die Momente, in denen ich nicht mehr überlegen muss „Warum mache ich das eigentlich?“

Irgendwie gingen mir so langsam die Kräfte aus und vor meiner geplanten letzten Runde – ich hatte dafür noch drei Stunden Zeit, sollte also machbar sein – saß ich entspannt in der Cafeteria, genoss meinen Frühstückskaffee und unterhielt mich mit Teilnehmern, die schon geduscht hatten und nach Hause wollten. „Ich fahr auch nur noch eine Runde“, denn dann sollten die 500 Km geknackt sein.

Die Runde lief auf einmal wieder erstaunlich flüssig und ein paar km vor dem Ziel fingen die Gehirnhälften eine blöde Diskussion an: „Kannst doch noch eine Runde fahren, Zeit ist genug.“ gegen „Warum das denn? Die 500 sind geknackt und die nächste Runden wird nur noch Quälerei!“ Bei der Rundenzählung (die Startnummer wurde dabei zweimal gescannt, einmal als Rückmeldung von der gerade gefahrenen Runde und einmal als Start für die neue Runde) hielt ich vor der zweiten Scanstation erstmal an und warf einen Blick auf den Monitor mit dem aktuellen Stand. Da waren mir doch ein paar Leuten nach ihrer Schlafpause wieder mächtig auf die Pelle gerückt und würden mich noch ein paar Plätze im Klassement nach hinten verschieben, wenn ich jetzt aufhören würde. Also los und noch eine Bonusrunde drangehängt. Auch die lief gut und ich war nach 1:05 wieder bei Start und Ziel. Die Helfer versuchten mich zu überreden, noch eine Runde dranzuhängen, die verbleibende Zeit reichte dafür allemal. Aber nun wollte ich wirklich nicht mehr.

Ein paar Minuten später kam Angelboot angefahren, der ein paar Runden mehr geschafft hat als ich – auch er ließ sich nicht mehr motivieren, eine Runde dranzuhängen. Als letztes kurz vor Wertungsschluss kam eine Gruppe von 4 Einzelfahrern ins Ziel, die sich recht früh zusammengetan hatten und es im Stil eines Mannschaftszeitfahrens auf stolze 700 Km gebracht haben!

Die RSG Mittelpunkt mit ihrem Motor Bernd Schmidt hat es wieder einmal geschafft, eine besondere Veranstaltung zu kreieren und organisatorisch perfekt über die Bühne zu bringen. An dieser Stelle daher noch einmal herzlichen Dank an Bernd und sein Helferteam, die im Gegensatz zu uns Teilnehmern deutlich mehr als 24 Stunden auf den Beinen waren.

Die Nortorfer stellen übrigens schon nächste Woche mit dem Mitternachtmarathon wieder eine tolle Veranstaltung auf die Beine. Bis Mittwoch kann man sich noch anmelden und ich verspreche euch: Es lohnt sich, dort mitzufahren.

Also bis nächsten Sonntag,
Halvtreds
Das Gefälle ist mein Freund.
Angelboot

Beitragvon Angelboot » 28.06.2010, 09:22

Halftreds hat die Eindrücke der 24 Stunden von Nortorf schon treffend beschrieben. Ich möchte Bernd Schmidt und seinem Team von der RSG Mittelpunkt ein großes Dankeschön aussprechen. Was ihr da geleistet habt war einfach Spitze. So etwas geht wohl auch nur in Nortorf. Mit Worten ist das nicht zu beschreiben. Einfach mal hinfahren und teilnehmen an einer Veranstaltung der RSG Mittelpunkt. Selbst als ich in der Dämmerung am Anstieg bei Heinkenborstel durch einen Schaltfehler einen Kettenklemmer vom "Feinsten" hatte, kam Bernd zufällig mit dem Auto vorbei und löste das Problem.

Ich persönlich hatte das hochgesteckte Ziel die 600 km zu knacken. Bedeutete mindestens 22 Runden a' 28 km. Beim Start sollte man den Kopf damit nicht belasten. Die Vorstellung daran könnte schon etwas wirr machen. Die Beine wollten und die ersten 309 km waren so bis 18:00 Uhr abgespult. Ich merkte die Kühle, zog Armlinge und eine Weste über, stellte aber schnell fest, es würde für die Nachtfahrt nicht ausreichen. Es wurde empfindlich kalt. Meine Etappenvorgabe war 11 Runden, dann 5 Runden und zweimal 3 Runden. Bis Ende der 11 Runde entnahm ich Getränke und die andere Verpflegung aus einer Kühltasche die ich im Zeitnehmerzelt deponiert hatte. Rosinenbrot mit Käse, Riegel, immer auf dem Fahrrad gegessen und Flaschen mit Power Bar und Wasser. Nach der 11 Runde habe ich in der Cafeteria eine große Portion Nudeln gegessen. Das gab Kraft und die nächsten 5 Runden, 140 km, liefen optimal. Die Rundenzeiten gingen natürlich nach unten. Die nächsten 3 Runden habe ich versucht noch Riegel zu essen, aber der Magen wollte sie nicht mehr, also kamen meine bewährten Mars Riegel zum Einsatz. Es ging immer noch gut, aber wesentlich langsamer.

Nach der Runde 19 habe ich nochmal warm gegessen, aber nicht reichlich genug. Jetzt wurde es beschwerlich, was Wunder. Die Bonusrunde 23 hatte ich schon abgeschrieben. Ein Hungerast hatte mich voll erwischt. Die Runde 22 war nur noch Willenskraft aber es war noch genug Zeit, aber noch eine Runde war nicht mehr machbar. Ich stieg vom Rad, 616 km waren geschafft. Fazit: 24 Stunden Radfahren ist immer grenzwertig, es ist eine enorme Anstrengung. Ohne Schlaf mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 30 km/h. Aber das Erlebnis prägt. Und ohne ein Zusammenspiel von Kopf und körperlicher Fitness geht es nicht. Dann ging es in die Cafeteria und ein tolles Frühstück wurde eingenommen. Eine stimmungsvolle, launige Siegerehrung folgte. Um 13:00 Uhr lag ich im Bett und habe bis Montag 5:00 Uhr geschlafen. Selbst die Begeisterung nach dem Fußballspiel störte nicht. Radfahren ist sowieso schöner.
Angelboot

Beitragvon Angelboot » 28.06.2010, 11:00

Nun habe ich den Veranstalter gelobt und gerade überlegt, ich habe einige andere vergessen.

- Burghard, der eigentlich überall war, die Zeitnahme organisiert, immer anwesend, wenn er nicht gerade auf der Strecke Fotos gemacht hat. Schlaf, wohl kaum.

- Den Jungs und Deerns vom BMTV Barmstedt, an deren Zug ich in der Anfangszeit des Rennens mal Platz fand, hinten.

- Helle Madsen aus Kiel, mit ihr fuhr ich kreiselnd mal eine ganz schnelle Runde. Leider hatte sie dann etwas Magenproleme (?) oder wollte mal für kurze Zeit ein Nachthemd überziehen.

- Das Mädchen mit dem Nicht-Rennrad, mit einer Ruhe.

- Alle anderer Mitfahrer, besonders die weiblichen Teilnehmer, Respekt.

Schön mit Euch einen Tag und eine Nacht unterwegs gewesen zu sein.

Mir war mal eben so, deshalb der Nachtrag.
Blueberry
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 107
Registriert: 26.04.2010, 09:36

Beitragvon Blueberry » 29.06.2010, 14:57

Leute, ich bewundere Euch für diese Leistung!
Benutzeravatar
Helmut
Admin
Beiträge: 12394
Registriert: 03.04.2006, 22:15
Wohnort: Hamburg-Tonndorf
Kontaktdaten:

Beitragvon Helmut » 30.06.2010, 23:58

Ein erhellender Bericht von Jochen vom RSC Kattenberg findet sich hier:

http://www.rsc-kattenberg.de/index.php/ ... s-erlebnis
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
Benutzeravatar
motta
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 656
Registriert: 12.04.2006, 15:22
Wohnort: Eutiner See
Kontaktdaten:

Re: 24 Stunden von Nortorf '10 (Berichte)

Beitragvon motta » 01.07.2010, 06:41

Moin, Halvtreds,

mal wieder ein schöner Bericht. In dir steckt ein Künstler- zumindest ein Romantiker:
Halvtreds hat geschrieben:
Während der ganzen Nacht war am Nordhimmel ein deutlich heller Fleck von Orange bis Tiefblau zu sehen – wunderschön über der Kulisse von Feld und Wald mit Nebelbänken. Schon bald stieg die Sonne wieder auf und zauberte mit den Nebelbänken tolle neue Bilder in die Landschaft und ich fragte mich manches Mal „Träumst du jetzt oder ist das die Wirklichkeit?“ Das sind die Momente, in denen ich nicht mehr überlegen muss „Warum mache ich das eigentlich?“
Ich fahre ja nur nachts, wenns sein muss- aber , wenn ich das so lese....

solche Momente kann man eben nur erleben, wenn man die Nacht nicht im Bett verbringt. :schlafen:

Ihr habt aber auch wirklich Glück mit dem Wetter gehabt, so wie ich es vor 2 Jahren beim ersten Mitternachtsmarathon auch erlebte.
Leider kann ich in diesem Jahr nicht, Vatter wird 80, denn es soll ja noch wärmer werden.

gruss auch an Angelboot

MOTTA

Ps.: die Spiegelbrille!!
Benutzeravatar
radfreunde
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 431
Registriert: 24.09.2006, 21:04
Wohnort: Rissen
Kontaktdaten:

Beitragvon radfreunde » 01.07.2010, 19:42

Angelboot hat geschrieben:
- Das Mädchen mit dem Nicht-Rennrad, mit einer Ruhe.
Bild

Ich habe eben mit Angelika telefoniert, die das 24 Std. allein durchgezogen hat und mit ihrem Rennrad mit Flatbar auf offizielle 392 km (ich würde schätzen, dass es mit einigen Schlenkern auch gut und gern 400 km waren) gekommen ist.

Bevor sie den Bericht für die Homepage der RG Wedel fertig geschrieben hat dauert es noch, sie hatte sich Dienstag zu einer permanenten RTF und Mittwoch mit der Weißen Speiche verabredet. Also keine Zeit zum Schreiben.

Bedanken möchte sie sich vorab bei der Organisation und den Helfern, aber auch bei Euch Mitfahrern, die sie immer wieder ermuntert haben und von denen zwar Startnummern aber in Ermangelung der Startliste die Namen nicht hat.

Wir sehen uns

wilf


http://www.radgemeinschaft-wedel.de
Herman
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 113
Registriert: 08.08.2007, 14:45
Wohnort: Kieler Umland

Beitragvon Herman » 01.07.2010, 22:33

Ich bin mir ziemlich sicher, mit dem Mädchen auf dem Nicht-Rennrad war Nr. 17 Sabrina und nicht Angelika gemeint, die Mutter von erwachsenen Kindern ist und es sollte wohl Runde und nicht Ruhe heißen. Diese Ruhe - eine unnachahmliche stoische Gelassenheit von Angelika hat mir besonders imponiert, sie hat sich nicht einmal aufgeregt, als sie auf dem Gehweg in Heinkenborstel von einem richtigen Rennfahrer unsportlich beiseite gedrängt wurde, es sei ja letztlich nichts passiert… Na, von der Gemütsruhe möchte man sich eine Scheibe abschneiden, prima, wenn auch andere sie ermuntert haben, herzliche Grüße von Startnummer 1.
Herman
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 113
Registriert: 08.08.2007, 14:45
Wohnort: Kieler Umland

Nortorf 24 Stunden - ein Sommermärchen

Beitragvon Herman » 03.07.2010, 12:10

Es hat mal wieder etwas länger gedauert, meinen Bericht findet ihr hier:

http://rg-kiel.de/forum/viewtopic.php?p=11036#11036
Andreas.Luetjenburg
Forums-Novize
Beiträge: 1
Registriert: 06.07.2010, 17:14
Wohnort: Lütjenburg

Beitragvon Andreas.Luetjenburg » 06.07.2010, 17:16

Angelboot hat geschrieben:- Das Mädchen mit dem Nicht-Rennrad, mit einer Ruhe.
Ich denke sie ist gemeint:

http://www.rennrad-sabrinagrun.de.tl/24 ... .-2010.htm
Angelboot

Beitragvon Angelboot » 07.07.2010, 07:10

Genau, mit einer Ruhe.......
Benutzeravatar
radfreunde
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 431
Registriert: 24.09.2006, 21:04
Wohnort: Rissen
Kontaktdaten:

Angelikas Bericht ist fertig

Beitragvon radfreunde » 07.07.2010, 23:11

Angelika hat endlich Zeit gefunden, ihre Eindrücke und Empfindungen aus Nortorf aufzuschreiben:

http://www.radgemeinschaft-wedel.de

Viele Grüße

wilf
Benutzeravatar
Helmut
Admin
Beiträge: 12394
Registriert: 03.04.2006, 22:15
Wohnort: Hamburg-Tonndorf
Kontaktdaten:

Re: Angelikas Bericht ist fertig

Beitragvon Helmut » 08.07.2010, 08:48

radfreunde hat geschrieben:Angelika hat endlich Zeit gefunden, ihre Eindrücke und Empfindungen aus Nortorf aufzuschreiben:

http://www.radgemeinschaft-wedel.de
Glückwunsch Wilf!

Selten einen so schönen Text gelesen. Wer die Texte so einer Literatin wie Angelika verlegen darf, kann sich glücklich schätzen.
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
Benutzeravatar
Konkursus
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 969
Registriert: 13.08.2008, 09:11
Wohnort: zwischen Hamburg und Bremen
Kontaktdaten:

Beitragvon Konkursus » 08.07.2010, 09:00

stimme Helmut in vollem Umfang zu. Aber Hermans Text war auch schon sehr schön.

Konkursus

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast