Weltrekordversuche am Lausitzring '15 (Bericht + Bilder)

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Speedmanager
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Weltrekordversuche am Lausitzring '15 (Bericht + Bilder)

Beitragvon Speedmanager » 21.07.2015, 21:12

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Bild: Carsten Böttcher

Weltrekordversuche am Lausitzring: Und noch ein Versuch :)

Nachdem Petra (DeutscherDiesel) im letzten Jahr ja erstmals einen 24 Stunden-Weltrekord der Frauen definiert hat, stand ihr der Milan SL des Räderwerks in Hannover in diesem Jahr zum Einen dankenswerterweise nochmals und zum Anderen frühzeitig zur Verfügung, so dass die Anpassung des Fahrzeugs nicht unter Zeitdruck stattfinden musste. Dieser Zeitdruck stellt sich jedoch wieder ein, als eine Woche vor der Generalprobe (24 Stunden am Brelinger Berg) ein nicht gerade untergewichtiger Feldhase sich an der Karosserie des Milan SL das Leben nimmt und dabei einige Löcher zurück lässt. Da das Räderwerk nicht die personellen Kapazitäten hat, um die Reparatur kurzfristig zusätzlich zum normalen Geschäftsbetrieb einzuschieben, erhalten Hardy (Shrek) und ich die Erlaubnis, den Leih-Milan selbst zu reparieren. Und nach einigen Tagen dremeln, laminieren, spachteln und schleifen steht der SL wieder einsatzfertig da, so dass Petra am Brelinger Berg damit ausrücken kann.

Und auch für Hardy ist es eine Generalprobe, hat doch auch er mit seinem Glasfaser-SL für einen 12-Stunden Rekordversuch gemeldet. Einzig die Support-Crew ist mit mir und Mario etwas dünn besetzt. Und als dann Mario auch noch ausfällt, stehe ich plötzlich alleine zwei Rekordaspiranten gegenüber. :o Schlimmer noch, Mario hat mit seinem Wohnwagen auch das Basislager stellen sollen. Glücklicherweise leiht mir der Sohn eines Jugendfreundes noch seinen Festival-WW und meine Schwägerin stellt das passende Zugfahrzeug. Und auch für die Heidjer Betreuer-Crew finden sich kurzfristig Freiwillige, so dass wir mit mir, Hartmut (Guzzi), Jan, Dietmar und Siggi (Sbach2o) eigentlich gut aufgestellt sind.

Am Freitag sammle ich Jan, Dietmar und Hartmut entlang der A2 ein, Siggi treffen wir dann vor dem Tor zum DEKRA-Gelände. Petra und Hardy sind bereits da und bereiteten die Milane vor, am Schaltwerk von Petras SL darf ich mir dann auch sogleich selbst die Finger dreckig machen. ;)

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Bild: Thomas Wolf | Michael Hering http://www.fisch-auge.de

Das geplante Einkaufen in Senftenberg verzögert sich entsprechend und somit zieht sich unsere kleine Vor-Event-Grillparty bis nach Mitternacht hin. ;) Jedenfalls sind wir für die eigentlich vorgesehene Startzeit am Samstag um 14.00 Uhr bereit. Aber irgendwie gibt es wohl bei dem von der DEKRA eingeschobenen Fahrtraining (für Autofahrer) einen Unfall und der Start wird verschoben. Als der Start um 14.40 Uhr endlich freigegeben wird, schicken wir Petra als Erste auf die Strecke, ist doch unser erklärtes Ziel in diesem Jahr die 1.000 km zu knacken.

Bild
Bild: Carsten Böttcher

Konkurrenz erwächst Petra in diesem Jahr in Gestalt der jungen Nici, Freundin des Konstrukteurs des derzeit umsatzstärksten Velomobil-Herstellers. Deren Zielsetzung ist allerdings der 12-Stunden Weltrekord. Daniel, besagter Konstrukteur, hat es jedoch selber auf den 12-Stunden Rekord der Männer abgesehen, was natürlich eine direkte Konkurrenz zu Hardy bedeutete. Dieser beschliesst daher, nicht sofort auf die Piste zu gehen, sondern sich lieber noch einmal ein Stündchen hinzulegen, um zu sehen, ob er sich an dessen Zeit oder doch an der des bestehenden Rekordes orientieren sollte.

Nun ja, er muss sich an Daniels Zeiten orientieren, allerdings unterbietet er diese doch ziemlich regelmässig. Daniel gerät allerdings in Schwierigkeiten, erst hat er einen Plattfuß und nach knapp 4 Stunden muss er dann aufgeben.

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Bild: Carsten Böttcher

Dementsprechend kann sich Hardy an dem letztjährigen Weltrekord orientieren; da allerdings ein Stopp nach 6 Stunden geplant ist, soll er auch einen Vorsprung auf diesen Rekord heraus fahren. Petra ist in der Anfangsphase schneller als Nici gefahren, allerdings fährt sie nicht so konstant wie diese. Es ist jedoch schon früh abzusehen, dass der bestehende 12-Stunden-Weltrekord der Frauen geknackt wird, es ist nur die Frage von wem. Bemerkenswert auch, dass Petras Rekord-Milan wieder einmal am Geräusch zu erkennen ist. Im Gegensatz zum letzten Jahr, als das böse Wort der „Rappelkiste“ die Runde machte, ist er in diesem Jahr jedoch eindeutig das leiseste Fahrzeug auf der Strecke, nur das sehr leise Abrollgeräusch der Reifen ist von außen zu vernehmen. Die Arbeiten an dem Fahrzeug haben sich ganz offensichtlich gelohnt. :)

Nach 6 Stunden hat Hardy einen Zeitpuffer von 30 Minuten auf den bestehenden Rekord heraus gefahren. Nach dem Stopp mit Auffüllen aller Flüssigkeiten und einer kurzen Nackenmassage sind es immer noch 11 Minuten, das sollte er in der verbleibenden Zeit eigentlich gut verwalten können. Petra hat mittlerweile gute 10 Minuten auf Nici verloren, da sie jedoch als Erste gestartet war, ist sie um kurz vor 3 Uhr morgens neue Weltrekordhalterin über 12 Stunden – nur um diesen Titel 20 Minuten später an Nici zu verlieren (Bild oben). ;)

Kurz darauf kommt Hardy zu einem ungeplanten Stopp. Sein Kreislauf will auf Sparmodus gehen und er verlangt eine Koffein-Tablette. Nur hat keiner von uns eine Ahnung, wo diese zu finden ist und schicken ihn erst einmal für eine Runde wieder auf die Strecke. Glücklicherweise finden wir die ollen Pillen, bevor Hardy von seiner Runde wieder zurück ist, die ganze Aktion kostet aber ca. 3 Minuten, so dass von dem ursprünglich erklecklichen Polster magere 7 Minuten verblieben. Und als ob das noch nicht genug wäre, kommt er nur wenige Runden später wieder herein, weil sein Akku leer ist – noch 5 Minuten Puffer. :(

Wir holen Petra für den Halbzeit-Stopp herein. Flüssigkeiten und Verpflegung auffüllen, Kaffee und Brühe stehen bereit, ja nachdem, was gerade gebraucht wird und Füße kühlen. Aber Petra hat sich wund gerieben. Das versucht sie mit Puder und Pflastern wieder etwas in den Griff zu bekommen.

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Bild: Carsten Böttcher

Während dieser Zeit steht Dietmar an der Piste, um Hardy mit dem verabredeten Flaggensignal mitzuteilen, dass die Box besetzt ist. Der kann das aber nicht richtig erkennen, kommt rein, um zu fragen, ob die Signale ihm gelten. Neeeiiiiin – tun sie nicht. Seh zu, dass du wieder auf die Piste kommst. Noch 3 Minuten Puffer. :(

Nach etwas mehr als 30 Minuten geht auch Petra wieder auf die Piste. Die Zeiten liegen etwa im Zeitplan und sie hat ja auch noch einen ganz brauchbaren Vorsprung auf das Ziel, 1.000 km in 24 Stunden zu fahren. Nichtsdestotrotz, der Zweifel nagt an uns; und da Roland, seines Zeichens Physiotherapeut und in Homöopathie durchaus bewandert, meint, dass ein Einreiben mit Olivenöl die Schmerzen mindern könnte, holen wir Petra rein. Madam ist davon allerdings gar nicht erbaut, hat sie doch gerade erst wieder ihren Rhythmus gefunden. Und nach der Behandlung ist sie erst recht sauer; das Öl brennt mehr, als es nützt. Trotzdem steigt Petra wieder in ihren Milan und fährt weiter.

Hardy fährt weiter seine Runden und bringt seinen knappen Vorsprung über die Zeit. Aber es ist früh morgens, alles schläft und selbst den anwesenden Observern ist nicht klar, dass er jetzt gerade einen neuen Weltrekord aufstellt. :) Aber die Zeitmessung hat das ja protokolliert. :) Und Hardy selbst fügt sich auch nahtlos in diese surreale Szenerie ein: Statt völlig im Eimer zu sein, ist er ein wenig verschwitzt, möchte gerne anschließend ein wenig schlafen und vielleicht eine Wolldecke, weil es ja frühmorgens noch etwas kalt ist.

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Foto: Guzzi

Aber egal, es bleiben einige erstaunliche Fakten festzuhalten: Er ist auf Anhieb Weltrekord gefahren, und das erstmals mit einem Glasfaser-Milan SL! Wenn er das noch toppen will, wird das wohl nur noch über die Distanz gehen – ich denk mir mal was aus. ;)

Da ohnehin zu der Zeit keiner mit ihm feiern will, legt sich Hardy erst einmal aufs Ohr. Kurze Zeit später kommt Petra rein. Sie ist richtig sauer wegen des Olivenöls. Versucht mit allerlei Pflastern und Pudern die Problemzonen wieder in den Griff zu bekommen. Die Boxenmannschaft (also wir ;)) kann dabei leider nichts weiter tun, als die Verpflegung im Milan wieder aufzufüllen.

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Bild: Michael Hering

Nach etwa einer halben Stunde setzt sich Petra wieder in den SL und fährt weiter. Der Vorsprung auf die theoretische 1.000 km in 24 Stunden–Marke ist nicht mehr ganz 40 Minuten geschrumpft. Aber Petra legt wieder los und baut den Vorsprung wieder auf gute 45 Minuten aus. Diese absolut inkonsistente Fahrweise ist natürlich etwas, was jede mitrechnende Boxencrew an den Rand des Wahnsinns treiben kann. Und als ihre Zeiten wieder etwas schlechter werden, sieht Guzzi schon die Felle davon treiben. Ich glaube, „So funktioniert Petra nicht“, ist einer der am meisten von mir während dieser Zeit verwendenten Sätze. ;) Und so versuche ich die Anwesenden auf dem allmählich wieder erwachenden Areal zur Präsenz an der Strecke zu animieren (obwohl ich kein guter Animateur bin ;)). Und Petra kämpft. Das Überbieten ihres alten Weltrekordes sorgt noch einmal für ein Zwischenhoch.

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Bild: Thomas Wolf

Trotzdem muss sie noch einmal an die Box, um die diversen Problemzonen nochmals zu behandeln. Und sie sieht nicht wirklich gut aus. Mir kommen Zweifel, ob es wirklich gut ist, sie noch weiter anzutreiben. Aber die 1.000 km liegen immer noch in Reichweite und sie wäre definitiv ewig sauer darüber, es an dieser Stelle nicht wenigstens versucht zu haben.

Nach diesem Stopp bleiben noch etwas über 25 Minuten Puffer. Ich frage nach, ob die Strecke denn auch noch etwas länger zur Verfügung stehen würde, falls die 1.000 km eben nicht in 24 Stunden fallen würden. Naja, allzu viel Zeit gäbe es nicht. :( Inzwischen sind praktisch alle auf den Beinen, um Petra anzufeuern. Siggi pendelt mit seinem Rad ständig zwischen Gerade und Gegengerade, so dass wir regelmässig informiert sind, wann Petra wieder aus der Steilkurve kommen wird. ;)

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Bild: Michael Head

Und diese Welle der Begeisterung trägt Petra zu einem neuen 1.000 km-Weltrekord noch vor Ablauf der 24 Stunden. Ich lasse sie kurz noch einmal halten, um zu fragen, ob sie die Zeit bis zum Erreichen der 24 Stunden stehen bleiben will, um dann über die Ziellinie zu fahren. Aber die Zeit verbringt sie dann lieber kurbelnd und fährt noch eine Runde.

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Bild: Carsten Böttcher

Tja, und dann ist es geschafft. Im Gegensatz zu Hardy sieht man es ihr an, dass sie alles gegeben hat. ;) Ich weiß nicht, ob es der Sekt ist, den Eggert Bülk, der Konstrukteur des Milan SL, ihr eingeflösst hat ;) oder ob es dieser besondere Zustand, wirklich alles gegeben zu haben ist, aber die Ehrung kann Petra nur noch liegend entgegen nehmen.

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Bild: Michael Hering / Guzzi

Aber das vergeht. Was bleibt, ist Neuland betreten zu haben. Die Erste gewesen zu sein. Die Erste, die eine Million Meter an einem Tag mit dem Fahrrad gefahren ist.

Seht es mir bitte nach, dass ich mich in meinem Bericht sehr auf meine beiden Teamkollegen beschränkt habe. Dass auch noch weitere Athleten hervorragende Leistungen gebracht haben, lässt sich u. a. bei HPV.org nachlesen.
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Beitragvon Helmut » 22.07.2015, 01:51

Pokalhoch :Anbeten:

Dass ich ausgerechnet das Bild von Nici hervorhob und für's Titelbild verwenden werden, liegt einfach daran, dass es mir dieses so gefällt und sich die im Hochformat nicht "hochzoomen" lassen, weil sie sonst quer stehen würden.

Meine Hochachtung gilt Eurem ganzen Team - auch Nici und allen, die es mit mehr oder weniger Erfolg versucht haben.
Zuletzt geändert von Helmut am 17.09.2015, 22:02, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
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Beitragvon motta » 22.07.2015, 10:28

Glückwunsch! Respekt!

Und ein spannender Bericht...

gruss MOTTA
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Beitragvon Speedmanager » 17.09.2015, 21:28

Und doch taucht Hardy (aka Shrek) als Erster in der Statistik auf -> http://www.whpva.org/land.html#370 Pokalhoch
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Beitragvon Helmut » 17.09.2015, 22:07

Wow, 681 km in 12 Std.! :Respekt:

Ich glaube, Christian hätte es gefallen, wenn Hardy nächstes Jahr seinen Rekord über 24 Std. toppen würde. Ich bin gespannt, was da noch auf uns zukommt...
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
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Beitragvon Speedmanager » 17.09.2015, 22:19

Potential hat der Jung auf jeden Fall. Wer's nicht glaubt, kann ja mal gucken, wie er demnächstens Kalorien für (mindestens) 2.000 km bunkert. ;)
Obwohl er dort nicht liegend fährt. ;)
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Beitragvon Speedmanager » 21.10.2015, 20:48

So, und endlich ist es der Rekordkommision des WHPVA auch gelungen, Petras Weltrekorde über 24 Std. und 1000km anzuerkennen.
Da ihr Weltrekord über 12 Stunden noch am gleichen Tag übertroffen wurde, gibt es dafür nur eine Nennung als außergewöhnliche Leistung.

Vielleicht darf ich nächstes Jahr ja auch mal, bin schon mal auf Einkaufstour :cool:.

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