Ostholsteinbrevet - ein Wetterbericht (Bericht)

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Halvtreds
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Ostholsteinbrevet - ein Wetterbericht (Bericht)

Beitragvon Halvtreds » 19.03.2007, 09:58

Ich bin ja schon ab und an auch mal bei ungünstigen Wetter gefahren, aber dem gestrigen Ostholsteinbrevet ist ein Spitzenplatz in der Schlechtwetterwertung auf lange Zeit sicher. Es fing schon nachts an, als kräftige Schauerböen auf unserem Dachflächenfestern mich ab und an aus dem Schlaf rissen. Während der Fahrt nach Neumünster kamen ernsthafte Zweifel auf: sollte ich mich wirklich bei Dauerregen und Starkwind aufs Rennrad setzen? Immerhin traf ich am Start ca. 20 Mitfahrer, die sich auch nicht haben abschrecken lassen.

Nach dem Start kam der Wind erstmal von hinten - der Regen aber auch und die Sichtverhältnisse waren schlecht. Die Strecke war zwar zu sehen, aber Tacho und Streckenbeschreibung verbargen ihre Angaben sehr effektiv unter einem Tropfenmuster. Die Nässe war längst auf der Haut angekommen. Immerhin war die Temperatur mit 7-8 Grad noch erträglich. Kurze Überlegung: von Damsdorf Richtung Ascheberg fahren und dann auf der Strecke der letzen Etappe zurück und zum Frühstück wieder zu Hause sein? Angenehmer Gedanke! Aber irgendwie hat sich dann doch wieder die Unvernunft durchgesetzt und ich fuhr im Dauerregen weiter Richtung Scharbeutz.

Es kamen jetzt ab und an ein paar Schauerböen zwischendurch. Ein besonders kräftiges Exemplar mit viel Starkregen schob mich dann hinter Havekost über eine längere Strecke mit über 50km/h Richtung Ostsee. In Scharbeutz war die üblicherweise als Kontrolle dienende Shell-Tankstelle wegen Umbau geschlossen und ansonsten die Gehsteige hochgeklappt. Kann ich den Geschäftsleuten bei der Wetterlage am Sonntag kurz nach 10 nicht verdenken. Insoweit bildeten sich dann in diversen Fischbrötchen-Verkaufsstellen unabhängige Kleingruppen und das Feld hatte sich wohl spätestens hier auf Dauer aufgelöst.

Eigentlich ungünstig, denn jetzt ging es in die entgegengesetzte Richtung über Eutin und Malente nach Schönberg. Immerhin hatte es aufgehört zu regnen. Und irgendwie lies sich das mit dem Wind nicht ganz so unangenehm an, wie erwartet - bis die Strecke in Giekau nach Norwesten abbog und 20 Km weit über offenes Gelände führte. Die Reisegeschwindigkeit sank auf Werte um 18 km/h. Windschatten fahren war eine Illusion: die Böen trafen uns immer wieder überraschend aus unterschiedlichen Winkeln und versuchten, uns von der Strasse zu drücken.

Spur halten war fast unmöglich. Und als besondere Dreingabe waren die stärksten Böen mit feinkörnigem Hagel angereichert. Und immer, wenn man denkt es kann nicht schlimmer kommen, so war es auch hier: die letzten 2 km bis zur Kontrollstelle führten genau gegen den Wind. Der Tacho zeigte gerade noch mal 10,5 km/h! Aber wir sind ja keine Weicheier und so eine Einlage über 2 km bringt uns nicht aus der Fassung.

Die Diskussion des weiteren Streckenverlaufs in der Tankstelle führte dann auch zu einer moderaten Einschätzung für die restlichen 70 Km: Seitenwind mit einigen Schiebepassagen. Nach der Weiterfahrt begrüßte uns erst einmal wieder ein schmerzhafter Hagelschauer der schräg von vorne kam - ätzend. Dann wie erwartet endlich mal wieder ein Stück mit günstiger Windrichtung bis Pratjau und anschließend relativ geschützt durch den Wald über Fargau nach Wittenseer Passau. Da war dann aber wieder Schluss mit lustig. Der Anstieg verlief fast gegen den Wind und es kamen wieder mal ein paar besonders kräftige Böen mit Hagel. Nach ganz kurzer Entspannung ging es einige Km über offenes Gelände mit direkten Gegenwind bevor es Richtung Lepahn wieder etwas weniger ungünstig wurde. Es galt längst sie Devise: Kräfte sparen und nicht unnötig gegenhalten.

2 Stunden für die letzten 45 km fand ich an der nächsten Kontrolle in Ascheberg unter den gegebenen Umständen dann noch ganz akzeptabel. Schnell einen Kaffee genommen und dann auf zu den letzten 30 Kilometern. Das sollte eigentlich in 1,5 Stunden zu machen sein.
Um es vorweg zu nehmen: war es nicht ! Noch einmal war ich fast 2 Stunden unterwegs. Der Tacho hatte sich überwiegend irgendwo im Bereich um 15 km/h eingependelt, in den Schauerböen wurde es auch schon mal einstellig.

Die Kilometer schmolzen nur ganz zäh dahin und mir wurde obendrein langsam kalt. Aber entgegen der missmutigen Stimmung von der Regenfahrt am Morgen galt jetzt: egal was noch kommt, dass schaffst du. Und so traf ich dann auch nach fast 10 Stunden für die 200 km wieder am Ziel ein. Und habe einige Extremwerte zu vermelden
- ich bin noch nie bei schlechterem Wetter freiwillig Rennrad gefahren
- ich bin mit dem Rennrad noch nie so langsam unterwegs gewesen
- die Betriebsstunden meines 34er Kettenblatts habe ich locker verdoppelt
- und überhaupt: auch eine noch weitere Spreizung der Übersetzung hätte ich oben und unten sinnvoll nutzen können

Als ich ins Auto stieg, zeigte die Außentemperaturanzeige noch 3 Grad. Kein Wunder dass mir kalt geworden war.

An den Veranstalter: Ich werde nächstes Jahr bestimmt wieder dabei sein, aber ich wünsche mir keine Steigerung in der Schlechtwetterwertung!

Halvtreds
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Helmut
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Beitragvon Helmut » 27.03.2007, 23:45

Moin Halvtreds,

herzlichen Dank für Deinen Bericht, der mich bestens unterhalten hat. Ich werde auf ihn zusammen mit dem von Armin auf der Startseite hinweisen. So dürfte er noch einige Leser mehr finden.

Ach ja, in der Radmarathon-Terminliste ist er nun verlinkt. Siehe http://www.helmuts-fahrrad-seiten.de/Ra ... remen.html

Beste Grüße
Helmut
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.

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