Angeblich rückläufige Teilnehmerzahlen? Und nun?

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Janibal
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Angeblich rückläufige Teilnehmerzahlen? Und nun?

Beitragvon Janibal » 03.05.2010, 17:23

Nun ist der Startpreis der RTF wohl zur Nebensache geworden (Anmerkung Helmut: Diesen Beitrag habe ich aus einem entgleisen Fred zum Thema RTF-Startgeld herausgelöst). Es geht wohl um Radfahren im allgemeinen. Hier sehe ich einen Schwund der Teilnehmer an einfachen Veranstaltungen, wie RTF oder Cyclassics. Habe versucht die Gründe zu finden, bin aber nicht wirklich fündig geworden:

Profiradsport ist unecht --> Doping und Materialschlacht sollte nicht vom Radfahren abhalten, wohl aber nötig zum Siegen.

Kein Profiidole mehr --> Die Profitrikots verschwinden aus dem RTF-Bild (schrieb Helmut). Es gibt keine Vorbilder mehr und die Marken der Profis sind auch nicht gerade das, wonach wir streben (Bank, Milch, Telefon).

Geld --> Es gibt zur Zeit so etwas wie eine wirtschaftliche Krise und da wird das schwer verdiente Geld lieber in bleibende Werte investiert (nichtrostende Kaboom Räder) als in Startgelder.

Zeit --> Das Leben ist vielseitig geworden und die Zeit erlaubt nicht alles zu machen und so geht es wohl lieber mal in den Hochseilgarten oder zum Fußball.

Konkurrenz --> nicht nur, das es mehrere Veranstaltungen gleichzeitig gibt, sondern auch noch das liebe TV (in meiner Jungend wurde auf drei Kanälen ab 16:00 Uhr bis 1:00 Uhr gesendet), 3x Urlaub/a, Ausgleichssport vom Radfahren oder bessere Sportarten (Fallschirmspringen), usw.

Nachwuchs --> Deutschland stirbt aus und Zuwanderer haben andere Probleme als Radfahren in der Gruppe.

Krankheiten --> Häufiger und schwerer als damals. Eine langfristige Startzusage ist schwerer möglich und teurer.

Wetter --> Der lange Winter hat Zweifel am Radsport geschürt. 4 Monate Pause kann hart sein.

Werbung --> Der Mediengott sagt Wellness und Entspannung ist besser als Kampf und Schweiß.

Es gibt aber Beispiele in der Vergangenheit, wo ganze Sportarten fast ausgestorben sind (Tennis) oder MTB. Der MTB-Sport hat sich fast selbst eliminiert durch eine Forderung von Lizenzen bei Rennen. Der BDR wollte regeln… Da wurden die Marathonrennen erfunden. Immer noch sehr beliebt. Zur Zeit wird das Optimum für Stundenrennen gesucht. Ob 4, 6, 8, 12 oder 24 h. Bei den MTBlern ist deutlich mehr Kreativität vorhanden, allerdings auch mehr Chancen.

Hier ein paar Veranstaltungen, die ich mir auf der Straße wünschen würde:
+ Stundenrennen wie bei dem MTBlern, nicht nur auf der Nordschleife
+ Andere Startzeiten (Nortorf, Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, Cafezeit)
+ Rundenfahrten wie in Belgien. Festgelegte Runde vorbei an Versorgungsstellen (Tankstelle, Eiscafe, Restaurant, Pommesbude, Clubheim) kann immer und irgendwo befahren werden. Keine Anmeldung, keine Startgebühr, keine … Und du kannst so viele Runden fahren wie du willst. Zu Gruppenbildung wird es schon kommen.

Alles in allen weg von einfachen Veranstaltungen zu herausfordernden.

Die Meldungen zu Radsportveranstaltungen nehmen fast überall ab (Cyclassics, Velothon, Jeantex Tour Transalp, Gerolsteiner). Ausnahmen sind da wohl TdE, Einzelzeitfahren und Vätternrund. Hier spielt aber eine Rolle, das jeder Schwede die einmal in seinen Leben gefahren sein sollte.

Ich meine, der Kunde wird das Angebot bestimmen, wobei neue Produkte am Markt getestet werden müssen, ohne große Gesetze.
St. Jan
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Helmut
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Beitragvon Helmut » 04.05.2010, 01:44

Moin Janibal,

Deine Beobachtung, das z. Z. fast überall die Teilnehmerzahlen rückläufig sind, deckt sich weitgehend mit meinem. Auch Deine Analyse der Gründe finde ich treffend. Wenn denn aber die lange Winterpause dazu merklich beigetragen hat, wäre es kein Grund zur Beunruhigung.

Das heißt ja nicht, dass man nicht immer nach neuen Ideen und Verbesserungen Ausschau halten sollte. Deshalb freue ich mich sehr über Deine Anregungen und hoffe, dass jemand sie aufgreift und einfach mal ausprobiert.

Dass ist in den Teinehmerzahlen und in der Nutzung des Rades überhaupt nach oben noch viel Luft drin ist, zeigt ein Blick nach den Niederlanden bzw. Belgien, auf das Du ja auch Du zu Recht verweist.

Ich wünsche mir, dass die Funktionäre des BDR und der Landesverbände sich dort viel mehr aufhalten und von ihren Eindrücken berichten werden. Eindrücke ist das treffende Wort, denn ich bin - aus eigener Erfahrung von meiner Teilnahme einer unserer CTF entsprechenden Wald-Tocht - davon überzeugt, dass sie vielfältig beeindruckt sein werden, wenn sie es nicht schon sind.

Selbstverständlich können Funktionäre allein keine Heerscharen an Teilnehmern herbei zaubern. Das Umfeld muss stimmen. Und da haben uns die Doping-Affären der Profis ein riesiges Problem beschert. Immerhin wird der von denen kaum noch ausgehende Nachahmungseffekt zumindest hier und da lokal durch den von riesigen Teilnehmerfelder bei Jedermannrennen und einigen Radmarathons ausgehenden kompensiert. Wir brauchen m. E. noch viel mehr solcher Leuchtturmveranstaltungen, ärgere mich darüber, dass die Bulls Cycling Days verschoben werden mussten. Die anfangs vom Veranstalter erhofften 40.000+ Leute beim Velothon Berlin hielt ich von Anfang an für unrealistisch, aber wünschenswert, weil man der Breitenradsport dann in allen Hauptnachrichtensendungen vertreten wäre.

Was uns die Jedermannrennen bringen werden, sind wohl allerdings nur Leute ab 20, eher ab 30, die auch mal dabei sein wollen und vielleicht dabei bleiben werden. Wer die Jugend gewinnen will, braucht auch Helden von der Strahlkraft, wie sie Ulle mal hatte.
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
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Beitragvon Angelboot » 04.05.2010, 11:10

Die Teilnehmerzahlen sind ohne Zweifel rückläufig, ich finde es nicht unbedingt so schlimm. Das ist auch beim Laufsport der Fall und auch andere Sportarten beklagen das. Fußball ist da wohl eine der wenigen Ausnahmen.

Wenn Helmut dann auf Belgien oder Niederlande hinweist, ist einer der Gründe gefunden. Da gibt es die Idole durch den Profiradsport noch, da wird nicht alles, trotz der Dopingproblematik, mies gemacht. Und wenn Tom Boonen mal etwas am weißen Pulver schnuppert, nicht gut, aber er ist immer noch der Held auf den Straßen. Und dadurch wird wie zu Ulles Zeiten die Jugend begeistert.

Und wenn das nicht wieder gelingt, werden die Teilnehmerzahlen nicht wieder nach oben gehen. Ich kenne viele RTF-Fahrer, die durch die Helden von damals zum Radsport gekommen sind. Ich auch. Ich stehe aber weiterhin zum Profiradsport, weil er brutal hart und faszinierend ist. Aber leider verleugnen sich viele, steigen ein in die Medienschelte. Das Gegenteil sollte der Fall sein. Vorbilder begeistern, Boris Becker im Tennis, und verzeiht doch mal diesen jungen Menschen einen Fehltritt.

Zu hohe Startgebühren, der harte Winter, alles mögliche Gründe neben Überalterung. Meiner Meinung nach brauchen wir wieder einen Ulle, einen Erik Zabel, einen Udo Bölts und es geht wieder bergauf.
Müllbeutelchen
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Beitragvon Müllbeutelchen » 04.05.2010, 13:46

Stimmt das, was Ihr hier schreibt wirklich? Ich habe bisher in 10 Jahren immer noch das Gefühl das die Teilnehmerzahl bei RTFs steigt.

Aber vielleicht hat ja wirklich jemand konkrete Zahlen der letzten Jahre.

Ich denke die gefühlte Wahrnehmung aus den bisher 4 RTF-Wochenenden ist kein Grund zur Beunruhigung, denn dafür gibt es dann doch noch zu viele Randbedingungen (Parallel-Angebote von RTFs, HH-Marathon, Wetterbedingungen, langer Winter...)

Also, wer hat belastbare Zahlen der letzten Jahre?
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Beitragvon tierfreund23 » 04.05.2010, 20:10

In soweit habt ihr schon viele Gründe aufgezählt wo ich nur Zustimmen kann. Ich möchte aber da noch einen Grund hinzufügen:

Meiner Meinung nach wird von Seiten des BDR viel zu wenig für den Nachwuchs getan.
Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte,
drum gab er Säbel, Schwert und Spieß, dem Mann in seine Rechte,
drum gab er ihm den kühnen Mut, den Zorn der freien Rede...

Zitat: Ernst Moritz Arndt 1812
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Re: Rückläufige Teilnehmerzahlen? Und nun?

Beitragvon radfreunde » 04.05.2010, 22:58

Janibal hat geschrieben:Hier ein paar Veranstaltungen, die ich mir auf der Straße wünschen würde:
+ Stundenrennen wie bei dem MTBlern, nicht nur auf der Nordschleife
+ Andere Startzeiten (Nortorf, Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, Cafezeit)
+ Rundenfahrten wie in Belgien. Festgelegte Runde vorbei an Versorgungsstellen (Tankstelle, Eiscafe, Restaurant, Pommesbude, Clubheim) kann immer und irgendwo befahren werden. Keine Anmeldung, keine Startgebühr, keine … Und du kannst so viele Runden fahren wie du willst. Zu Gruppenbildung wird es schon kommen.
Nun gibt es zwei Threads zur Zukunft der Zunft. Sorry, aber das Sinnieren ob mehr oder weniger Anmeldungen ist eine Frage der Statistiken. Traue keiner, die du nicht selbst gefälscht hast...

Schuld finden wir auch immer bei denen "da oben". "Die sollten mal was tun." Und Beispiele finden sich immer in Holland, Dänemark oder Timbuktu. Andere Länder andere Sitten. In Holland gibt eine große Veranstaltung "Elf Städte Tour", die aber im Winter von den Eisschnellläufern getoppt wird. Glaubt ihr etwa, dass es ein paar Meter weiter in Ostfriesland Tausende aufs Eis locken würde. Würdet ihr dafür viel Geld investieren, ist doch ein großer Erfolg in Holland. Außerdem kommt Nachwuchs von nachwachsen. Vielleicht sollten wir den Bastler Jean Pütz als Vorbild nehmen, der weiss, wie man Nachwuchs macht. Aber was erwarten wir denn von Verbandspräsidenten, wer glaubt, dass Rudi noch weiss, wie es geht... (sorry OT, bin abgeschweift). Sagt den Verbandschefs, welche Rahmenbedingungen geändert oder verbessert werden müssen. Es sind Interessenvertreter und Politiker ob Ex- oder nicht. Die müssen nicht (mehr) die größten Radfahrer sein.

Nachwuchs wird "unten" gemacht und es sind immer die selben Verdächtigen in Hamburg RG Hamburg, Germania, HRG .... in SH Kattenberg, Kieler RV, Nortorf, Husum, Lübeck ... die gute Nachwuchsarbeit machen. Aber ohne die Unterstützung durch Eltern, Großeltern usw. ist selbst die beste Vereinsarbeit schwierig. Wer fährt denn die Nachwuchsstars zu den Rennen ans Ende der Welt und tröstet sie, wenns nicht wie gewünscht geklappt hat? Bei den Kindern die Eltern, bei den Jugendlichen die Trainer. Außerdem kann der Verein zwar die Ersträder ausleihen, aber einige Anschaffungen bleiben doch bei den Eltern. Wenn ich sehe mit welchem Material die Jugend durch die Gegend rollert, komme ich doch ins grübeln. Radsport ist für Eltern zeitaufwendig, man kann die Kinder nicht einfach irgendwo abgeben und weggehen. Aber dazu sind viele nicht bereit, auch ein Problem unserer Gesellschaft, wo man wenig Zeit für Kinder hat - oder sich nimmt.

Über einige Vorschläge läßt sich diskutieren. Stundenrennen schön und gut, aber auf welcher Strecke? Die Nordschleife, der Lausitzring, der Sachsenring und der Hockenheimring sind defizitäre Unternehmen der Eigentümer (Land), die dringend Auslastung brauchen. Also braucht man einen Veranstalter, der das Ding (die Strecke) mietet und das Event vermarktet. Kommen zu wenige, ist Ende. Andere Strecken sind nur schwer frei zu bekommen und wenn man sie hat kommen nur wenige, da weit weg. Wer von euch war denn letzten Sonntag in Nortorf / Gnutz, da gab es neben der Landesmeisterschaft ein Jedermann / Hobbyrennen über 46 km mit Zeitnahme auf gesperrter Straße dauerte 1:11 Std. für den Besten von 22 Teilnehmern. Schaun wir doch mal wieviele von euch bei dem Elbinsel-Radrennen um den "Großen Preis der igs 2013" am 6.6. antreten, kleines Geld, gesperrte Straßen usw., aber im Moorburger Bogen erwarte ich nicht 20.000 Zuschauer bei der Zielankunft.

Andere Startzeiten wären o.k., aber unter uns, wie viele waren beim Mitternachtsmarathon? Mehr als bei den anderen Nordcup Marathons. Bei der Premiere habe ich nicht viel mehr gesehen als den "harten Kern" Nowhereland ist nicht Vättern, wobei ich den RSG Mittelpunkt für seinen Einsatz unter allen Vereinen weit und breit loben muss.

"Rundfahrten wie in Belgien" mit Verpflegungen an der Tanke kann doch jeder ins Leben rufen. Habe ich auch 1998 mit einem Radtreff sonntags in Rissen übers Internet gemacht. Mal kommen 3 Leute mal sind wir 10. die Strecke ist die Standardstrecke in der Haseldorfer Marsch. Mal 55 km mal 80 km je nachdem wie Zeit und Laune ist. Manchmal treffen wir auf die Blankeneser, mal auf Einzelfahrer, die mitfahren. Ich glaube das gleiche ist bei RBO und anderen Treffs. Mit Verein hat das nichts zu tun. Nur mit Kommunikation und einfach Vormachen. Die Zahl der Fahrer die man hier und woanders auf dem (Renn)Rad sieht, steigt subjektiv immer noch an.

Auch wenn Veranstaltungen nicht die jährlichen Rekord-Teilnehmerzahlen haben, es gibt doch ständig neue Veranstaltungen. 1996 als ich für die erste Cyclassics anmeldete, sagte jeder, dass 1.500 Teilnehmer nicht erreicht würden. Aus heutiger Sicht eine krasse Fehleinschätzung. In diesem Jahr gibt es mehr oder weniger große Jedermannrennen in Göttingen, Köln, München, Berlin, Hannover, Hamburg, Nürburgring, im Ausland und nicht jeder fährt alle Rennen, sondern muss für sich selektieren.

Man sollte nicht traurig sein, wenn mal die eine oder andere Veranstaltung den wirtschaftlichen Niedergang erfährt, es sind Wirtschaftsunternehmen, die dahinter stehen und demendsprechend nüchtern kalkulieren. Vereine können diese Risiken nicht auf sich nehmen, sie gehen mit RTF's und Lizenzrennen schon an die wirtschaftlichen und personellen Grenzen.

Einen schönen Abend und denkt daran morgen ist ideales Wetter zum Radfahren

wilf

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