Brevet nach Lauenburg - Mein erster Brevet (Bericht)

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Fülle
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Brevet nach Lauenburg - Mein erster Brevet (Bericht)

Beitragvon Fülle » 27.09.2006, 22:24

Die Überschrift hörte sich gut an, auch wenn man ja wieder zurück musste 8) . Annonciert waren 205 km aber lt. Streckenbeschreibung, die einem am Start ausgehändigt wurde, waren es dann 210 km. Startort war in Norderstedt, ca. 3,5 km von meinem Zuhause entfernt, aber entspanntes Aufstehen ist doch etwas anderes. Um 6:15 Uhr klingelte der Wecker, bisschen was frühstücken (2 Schwarzbrotscheiben) und die allg. Morgentoilette. Man wurde gebeten gegen 7:30 Uhr am Startort (Start um 8 Uhr) zu sein, so radelte ich dann bei frischen 13 Grad los. Die Sonne ging gerade auf, alles schlief noch, herrlich. Ich hatte Knielinge, Armlinge und eine Windweste an, alles Sachen die ich noch bei Bedarf in meinen Trikottaschen verstauen konnte, allerdings sollte ich die Windweste doch den ganzen Tag anbehalten aufgrund des doch tlw. frischen Windes.

Am Startort angekommen entrichtete ich meinen Obolus von 15,- Euro (inkl. Medaille, die noch geprägt wird, ohne wären es 8,- gewesen) und erhielt die Streckenbeschreibung auf zwei DIN A4 Seiten und eine Stempelkarte für die Kontrollstellen. Ich wusste, dass ich viel zu essen brauche, (da es nicht wie bei einer RTF Verpflegungskontrollen gibt) deshalb hatte ich eingepackt: 2 Powerbar-Riegel, 1 Isostar-Riegel, 3 Müsli-Riegel, 2 Powerbar-Gel und 1 Squeezy-Gel. Dann wollte ich mir bei der letzten Kontrolle in einem Gasthaus (bei km 155), wenn nötig, noch ein Stück Kuchen gönnen. Dass dies wohl so üblich ist, hatte ich in einem Bericht vom letzten Jahr gelesen.

Mich sprach dann auf dem Hof noch ein Mitfahrer an, es war auch sein erster Brevet/Marathon, und fragte mich nach meiner Vorbereitung. Die war natürlich seit den Cyclassics nicht mehr so dolle und meine weiteste Strecke dieses Jahr waren 124 km bei einer RTF (Alpe d´Hittfeld) im Juli (?). Seine erstaunte Frage darauf war: „Und dann fährst du hier mit???“ O.K., schluck, ja das wollte ich eigentlich… :oops:

Nichtsdestotrotz um 8 Uhr brachen dann ca. 70 Radler auf, um nach ca. 7 km in 2 Hauptgruppen aufzubröseln, eine Heizergruppe und eine „Normal“-Geschwindigkeitsgruppe (der Tacho war eigentlich nie unter 30 km/h) in der ich war. Ansonsten fuhren auch viele Randonneure alleine ihr Tempo. Man fuhr in 2er Reihe und der Fahrer neben mir fragte mich nach meiner Streckenkenntnis, da wir ja bald an der Reihe wären Führungsarbeit zu leisten, er war also auch das erste Mal dabei. Da aber viele Fahrer des ausrichtenden Klubs dabei waren, machte ich mir über die Strecke erstmal keine Gedanken, die werden schon rechtzeitig Bescheid geben. Nach gut 18 km waren denn mein Nebenmann und ich mit der Führungsarbeit dran und wir verabredeten uns nach ca. 2,5 km wieder aus der Führung heraus zu gehen. Das klappte sehr gut, mein Nebenmann macht einen fitten Eindruck, angeblich fuhr er immer die Langstrecken bei den RTF`s, er sah auch tatsächlich bis zum Ziel gut aus.

Nach ca. 27 km kam die erste unfreiwillige, aber für mich willkommene Pause (da gleich zum Pippi machen genutzt), da einer von den Organisatoren eine Panne hatte und man gerne auf ihn wartete. Ging auch schnell, 5-6 min. später ging es weiter durch autofreie Straßen bis km 55, da passierte das nächste „pfffft“. Wieder einer der Organisatoren, so warteten wir wieder (also wieder Pippi, essen, in Ruhe trinken). Nach 75 km erreichten wir das wunderschöne Ratzeburg, eigentlich hätte man sich dort in Ruhe an den See setzen müssen und sich einen faulen Lenz machen müssen, aber nein, eine kurze Pause wurde an einer Tankstelle gemacht, an der es auch den Kontrollstempel gab. Dort füllte ich meine Trinkflaschen wieder auf und schon ging der Ritt weiter. Nach 100 km, in der „DDR“ ;) angelangt, machten wir eine kurze Pippipause nach einer Paris-Roubaix Einlage. Nach 127 km kamen wir an einen kleinen Kanal der unter einer Brücke lang führte, hier musste eine Kontrollfrage beantwortet werden: „Was wurde auf diesem Kanal früher transportiert und vor allen Dingen warum?“ Antwort: Salz wurde transportiert zum Konservieren von Heringen. Nach Klärung dieser Frage ging die Fahrt weiter in Richtung Altengamme zum Altengammer Fährhaus, dem letzten Kontrollpunkt bei km 155.

Wer richtig mitgelesen hat, stellt nun fest, dass mal bummelig 80 km zwischen den 2 Hauptkontrollpunkten lagen. Da ich doch einigermaßen Durst und Hunger hatte, bedeutete dies das ich ca. bei km 140 nichts mehr zu essen und zu trinken hatte und natürlich auch nicht anhalten wollte um mir was zu kaufen, da es unweigerlich den Verlust der Gruppe bedeutet hätte. Hunger hatte ich noch nicht, obwohl ich mittlerweile alle meine Vorräte vernichtet hatte (außerdem freute ich mich doch auch auf den Pflaumenkuchen im Altengammer Fährhaus :) )aber der Durst wurde stärker, also nahm ich meinen Mut zusammen und bettelte den Mitfahrer an, mit dem ich anfangs mal die Führung übernommen hatte. Zum Glück hatte er Mitleid und gab mir etwas ab, was mich dann bis zur Kontrolle überleben ließ. Nach 155 km Pause in der Gaststätte, Mittagszeit vorbei, eigentlich mittendrin in der Kaffeezeit. Nachdem ca. 1 Liter Apfelschorle in mich reingeschüttet hatte und meine (1L-)Trinkflaschen mit (leider nur) Wasser gefüllt hatte, bestellte ich mir voller Vorfreude ein Stück Pflaumenkuchen mit Sahne, so wie das die anderen Mitfahrer auch taten. Nur leider war keines mehr da! Und es gab nichts mehr zu essen! Auf der Suche nach Nahrung erforschte ich diese Gaststätte und erspähte einen Korb mit Tischbrötchen von denen ich mir 2 auf Nachfrage nehmen durfte und dann stibitzte ich mir noch eine große frisch gepellte Pellkartoffel von einem Tablett nahe der Küche, die sicherlich für die Gerichte am Abend bestimmt war, und schlang sie hinein. Bevor ich noch mehr Nahrung erlegen konnte, machten sich die Häuptlinge auch schon wieder auf den Weg zu ihren Rössern, ich also hinterher - nachdem ich meinen Kostenbeitrag hinterlassen hatte -, ich wollte ja bei „meiner“ Gruppe bleiben.

Nach ca. 4,5 km Fahrt fuhren wir Richtung Sachsenwald, irgendwie war da aber eine Steigung im Weg und die war steil! Ich wollte auf meine kleinen Rettungsanker schalten und verschaltete mich. Auf´s große Blatt!! Beinahe wäre ich umgefallen, konnte aber mich halten, auf´s kleine Blatt schalten und mich den „Berg“ (ich weiß, bei uns gibt es keine Berge) hochquälen. Hinter mir hörte ich nur noch eine Frau aus unserer Gruppe laut „Scheiße“ rufen, sie musste sogar absteigen. Das rief ich dann auch, denn meine Gruppe war weg, gewartet wurde nicht (ist o.k., hatte ich auch nicht erwartet, aber insgeheim gehofft) und ich machte mich an die Verfolgung. Sie hatten ca. 300 m Vorsprung und schon wieder Fahrt aufgenommen. Ich gab also Gummi auf leicht profiliertem Gelände und holte leicht auf, aber alles im anaeroben Bereich. Dann kam ein Fahrer aus der Gruppe zurück, ausgestattet mit dem Trikot des veranstaltenden Club, das ließ in mir die Hoffnung wachsen das auf ihn gewartet würde, aber er hatte keine Kraft mehr, ich fragte noch „Mit?“ aber er schüttelte nur noch den Kopf und fuhr langsam weiter. Dieses Verfolgungsspiel ging bestimmt 5 km lang ohne dass ich entscheidend näher kam, die Gruppe war einfach zu schnell für mich, ich beschloss aufzugeben.

Ich musste auch dringend den Puls runterschrauben, es waren ja noch gut 45 km zu fahren. Während ich durchatmete und mich schon gedanklich auf eine Alleinfahrt im Stile eines echten Randonneurs ;) einstellte, kam von hinten noch ein älterer Mann angefahren. Der hatte auch an jenem Anstieg reißen lassen müssen, an dem ich mich schon verschaltet hatte. Ich witterte Morgenluft und hoffte, dass man zu zweit die Gruppe wieder einholt. Allerdings war ich relativ platt und hängte mich in seinen Windschatten, und siehe da, wir kamen näher, noch 100m, noch 70m, noch 30m, jetzt kam ein kurviger Anstieg und in dem klemmten sich 2 Autos zwischen uns und die Gruppe, die Autos konnte nicht überholen wg. der schlechten Übersichtlichkeit der Straße und wir kamen nicht an den Autos vorbei. Mist, die Autos trennten uns immer mehr von der Gruppe und auf einmal war sie wieder weg und unsere Moral gebrochen und auch die Kraft am Ende für so ein Unterfangen.

Ich beschloss also wieder einmal die Beine hochzunehmen und Kraft für die letzten Kilometer zu sparen. Der Puls ging langsam wieder in den GA2 Bereich, jetzt hätte ich gerne was gegessen, aber ich hatte nichts mehr und nur noch Wasser in den Flaschen… 4-5 Minuten fluchte ich vor mich hin, dachte das da vielleicht noch irgendwo eine Gruppe von hinten kommt, wusste aber eigentlich, dass da nicht mehr viel kommen konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen knappen 30er Schnitt auf dem Tacho, das Tempo war also die ganze Zeit konstant hoch. Als ich mich wieder mal umdrehte, sah ich die Frau, die an dem Hügel hochschieben musste, sie kam näher und motivierte mich zum zügigen Weiterfahren und ich durfte mich in ihrem Windschatten etwas ausruhen (wir hatten auch noch Gegenwind). So konnte ich mich etwas erholen und wir beschlossen den Rest der Strecke zusammen zurückzulegen. Sie hatte auf jeden Fall noch mehr Körner als ich. Hut ab! Wir überholten nach kurzer Zeit den älteren Mann, der auch die Verfolgung der Gruppe aufgegeben hatte und uns dann auch nicht mehr bis zum Schluss folgen konnte.

Der Schnitt fiel auf 29 km/h und wir fuhren zügig aber in vernünftigen Pulsbereichen die schöne Strecke in Richtung Hamburg zurück. Kurz hinter der Stadtgrenze in Volksdorf fanden wir sie wieder, unsere Gruppe, einer von den „wichtigen“ Leuten hatte mal wieder eine Panne und so warteten alle auf ihn, wir hielten an und beschlossen die letzten 15 km mit ihnen zusammen zurückzulegen. Zum Schluß war ich wohl deutlich unterzuckert und ich quälte mich die letzten 4 km bis zum Ziel. Dort hätte ich noch eine Warmverpflegung bekommen, ich verzichtete trotz großen Hungers darauf, denn ich wollte eigentlich nur schnell nach Hause und die Beine hochlegen. Ich aß lediglich eine Handvoll Gummibärchen und fuhr mit dem Rad noch die 3,5 km nach Haus, gaaanz langsam. Und mich erwartete Pflaumenkuchen, frisch gebacken, klasse. Irgendwie habe ich den ganzen Abend nur noch gegessen und bin um 22 Uhr tot ins Bett gefallen.

Es war aber ein toller Tag und das mit der Verpflegung unterwegs bekomme ich das nächste Mal auch besser hin.
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Beitragvon quasarmin » 28.09.2006, 19:15

Moin Fülle

schöner Bericht, und Glückwunsch zu deinem ersten Brevet.

Vergiss die Power- und Müsliriegel auf Langstecken. Für zwischendurch kannst du dir einen oder zwei einpacken. Ich packe mir immer ein paar belegte Brote ein. Am besten Mischbrot. Vollkornbrot gibt die Energie nicht schnell genug her. Wenn du gut gefrühstückt hast, genügen je nach Wetter und Strecke alle 50-70km eine Scheibe Brot. Zuviel essen ist übrigens auch nicht so gut. Wenn man 300-400km fährt, dann sollte zwischen 200 und 250km eine richtige Mahlzeit eingenommen werden.

Viele Grüße
Armin
Zuletzt geändert von quasarmin am 28.09.2006, 22:57, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Fülle » 28.09.2006, 19:32

quasarmin hat geschrieben:Moin Fülle

schöner Bericht, und Glückwunsch zu deinem ersten Brevet.
Das liegt zu einem kleinen Teil auch an deinen Berichten, du hast mich angefixt :wink:

quasarmin hat geschrieben:Vergiss die Power- und Müsliriegel auf Langstecken. Für zwischendurch kannst du dir einen oder zwei einpacken. Ich packe mir immer ein paar belegte Brote ein. Am besten Mischbrot, Vollkornbrot gibt die Energie nicht schnell genug her. Wenn du gut gefrühstückt hast, genügen je nach Wetter und Strecke alle 50-70km eine Scheibe Brot. Zuviel essen ist übrigens auch nicht so gut. Wenn man über 400km fährt, dann sollte zwischen 200 und 250 eine richtige Mahlzeit eingenommen werden.

Viele Grüße
Armin
Das mit den Broten hatte ich auch überlegt, aber die so zu verstauen, daß da nicht nur noch Krümel zum Vorschein kommen, erschien mir doch einigermaßen schwer. Und eigentlich wollte ich auch kein Risiko bei der Verpflegung eingehen. Ich bin halt nicht soo gut trainiert und wiege auch so ca. 100 kg, d.h. mein zarter Körper braucht viel zu trinken und zu essen und bei den wenigen Pausen unterwegs, dann noch während der Fahrt in der Gruppe ein Brot essen... :?:

Sollte ich das nochmal mitmachen, muß ich das mal anders planen mit der Verpflegung. Ich frag dann hier nochmal :roll:
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Helmut
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Brevet nach Lauenburg

Beitragvon Helmut » 02.10.2006, 16:07

Mensch Fülle,

das is ja ein umfassender Bericht geworden. Werd ihn sobald als möglich in Ruhe lesen und einen Link in der Marathon-/Brevet-Terminliste drau setzen.

Bitte noch ein paar Tage Geduld...

Gruß, Helmut
Zuletzt geändert von Helmut am 09.10.2006, 00:03, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
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Helmut
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Brevet nach Lauenburg - Link

Beitragvon Helmut » 09.10.2006, 00:03

Der Link ist nun da:

http://www.helmuts-fahrrad-seiten.de/Ra ... remen.html

Dank nochmals für den schönen und sehr lebhaften Bericht. Mir ist nun klar, dass ich bei meinem ersten Brevet - evtl. in 2007 - auch mit der langsamen Gruppe nicht mithalten werde, zumal ich ich mir wohl meinen Hundeanhänger voller Nahrungsmitteln ans Rad hängen werde.

Helmut
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.

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