HBK 2018 - Berichte und Bilder

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Ü40-Cyclist
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HBK 2018 - Berichte und Bilder

Beitragvon Ü40-Cyclist » 25.08.2018, 18:43

HBK 2018 – Eine Hitzeschlacht und was tue ich mir hier bloß an?

Mit etwas Abstand bin ich jetzt auch endlich dazu gekommen, ein paar Eindrücke über unsere bis dato sportlich größte Herausforderung zu schreiben.
Wie alles begann: Irgendwann im Winter gab es im Team mal den Gedanken 2019 P-B-P zu fahren. Ich selbst konnte mich damit aber nicht recht anfreunden. Habe aber gesagt, ich werde einen 600 km Quali-Brevet mitfahren, um mir die Option offen zu halten. Im Frühjahr habe ich dann von HBK gehört. Warum also in die Ferne ziehen, wenn man den Spaß vor der Haustür starten kann. Gesagt – getan, HBK sollte ein Testlauf werden. Nachdem wir dann Anfang Juni den 600-er gefahren sind, mussten wir uns nochmal ernsthaft hinterfragen, ob wir HBK wirklich wollen. Wir schmiedeten eine Marschtabelle und verständigten uns auf ein paar Regeln für die Tour und dann war klar: Es geht los!
03.08.2018 wir, Stefan, Flo und ich, fahren nach Großhansdorf, um unsere Startunterlagen für HBK 2018 abzuholen. Hat nur 5 Minuten gedauert, völlig unspektakulär, einfach super. Keiner wollte ein Ausweis oder Identitätsnachweis sehen, naja ist ja eigentlich auch klar. Wer ist schon so verrückt und schleicht sich bei so einer Tour ein.

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04.08.2018 wir rollen zum Start, ein paar kurze Worte und es geht los. Ein sehr bunt gemischtes Feld mit einem großen Anteil Teilnehmer aus dem Ausland – MultiKulti halt. Helmut hätte seine helle Freude gehabt und hätte er an dieser Stelle gesagt: „Radfahren ist bunt, es gab Teilnehmer sämtlicher Couleur“.

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Man gab gleich richtig Gas und ich dachte wir sind auf der falschen Veranstaltung. Allerdings rollte es gut und zwischenzeitlich führten wir den hinteren Teil der ca. 100 Teilnehmer an.

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Es wurde wärmer und wir trennten uns von der Gruppe. Die Versuchung das hohe Tempo weiter mitzugehen, war einfach zu groß und sollte sich für einige Teilnehmer auch später noch rächen. Wir nahmen also einen Gang raus und rollten unser Tempo. Bis Wittenberge führte die Strecke östlich entlang der Elbe durch mein alte Heimat. Bis dort war es sehr abwechslungsreich, danach ging es in das von Janibal betitelte Gebiet der „Alleen der Depressionen“- war das langweilig. Es wurde immer heißer. In einem kleinen Dorf sahen wir Kinder im Fluss baden. Wir nutzen die Gelegenheit und steckten auch kurz Beine und Kopf in das Flüsschen Rhin.

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Das tat gut und es ging weiter. Am nächsten Supermarkt nochmal Flüssigkeit getankt und es ging Richtung Nauen. Dort am Schwimmbad angekommen, gab es erstmal was zu trinken und zu essen. Stempel holen und ausruhen, war angesagt. Ich nutzte die Gelegenheit für einen Abstecher ins Freibad und hänge meinen Körper für 10 Minuten ins kühle Nass, war echt belebend. Gegen 17:30 Uhr brechen wir wieder auf. Es gilt noch weitere 180 km bis Ditfurt, der ersten Schlafmöglichkeit zu schaffen. Es wird Abend, es wird dunkel, die Temperaturen angenehmer. Die Fahrt zieht sich endlos und der Wunsch Ditfurt zu erreichen immer größer. Am 05.08.2018 gegen 01:00 Uhr ist es geschafft – Ditfurt. Auf dem Weg zur Unterkunft warteten allerdings noch 300 m übelstes Kopfsteinpflaster, das hätten wir nicht mehr gebraucht. Fahrrad parken, Stempel holen, essen, trinken, duschen (leider eiskalt). Flo war sichtlich geschafft und verkündete nächsten Morgen nicht weiterfahren zu wollen. Wir bequatschten ihn ein wenig mit den üblichen Parolen und ab gings ins Bett. Wir hatten unser Lager unterm Dach (gefühlte 50°C) und schmorten über Nacht ein paar Stunden im eigenen Saft. Erholsamer Schlaf war das nicht! Nächster Morgen – fertig machen – Foto und gute Wünsche von Kocmonaut und ab ging es Richtung Messinghausen. Es wurde hügeliger wir waren im Harz. Aufgrund der Bewaldung war es hier vormittags noch recht angenehm. Nachdem wir die ersten Wellen hinter uns gelassen hatten, folgte ein Stück mit viel Gegenwind und ruppigen Straßen. Hier haben wir viel Kraft gelassen. Wir hielten an einem sehr freundlichen Imbiss und es gab ein ausgiebiges Mittagessen, war sehr lecker.

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Gut gestärkt ging es weiter. Umso überraschter waren Stefan und ich, als Flo nach 20 km plötzlich sagte: „Ich steige aus!“. Wir hielten, kurze Besprechung, er ließ sich nicht mehr umstimmen und wollte von Herzberg aus mit der Bahn nach Hause fahren. Das war so nicht geplant, aber letztendlich mussten und haben wir seine Entscheidung akzeptiert. Zu zweit ging setzten wir unsere Reise fort. Ich muss ganz ehrlich zugeben, ich kann mich 14 Tage später nicht mehr darin erinnern, was auf der Strecke nach Messinghausen passiert ist. Jedenfalls waren wir abends gegen 21:00 Uhr da und es wartete ein kurzer, aber fordernder Schlussanstieg auf dem Weg zu Schlafplatz 2, den ich an diesem Abend noch fuhr. Es folgte wieder stempeln, essen, duschen, ruhen. Wir pausieren etwas länger und starten am 06.08.2018 um 08:00 Uhr Richtung Köln. Schnell war klar, jetzt kommt ein anstrengender Teil. Also gönnten wir uns zwischenzeitlich nochmal ein zweites Frühstück - schließlich waren wir ja auch im Urlaub.

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Es ging permanent rauf und runter. Alles nicht wirklich lang, aber schöne Rampen. Da stellt man sich schon die Frage, muss man bei einer Streckenlänge von 1500 km noch solche Teilstücke integrieren. Es ist, wie es ist und sich während der Tour darüber Gedanken machen führt zu nichts. Also kurbeln wir weiter und erreichen am Abend Rösrath.

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Unser aufgestellter Zeitplan ist an diesem Tag etwas aus den Fugen geraten. Aufgrund der Temperaturen war der Zeitaufwand für die Getränkebeschaffung doch erheblich gestiegen, auch haben wir zusätzliche Pausen eingemacht, um uns nicht zu zerlegen. Gleiches Spiel an der Hauptkontrollstelle, man hat sich super um uns gekümmert, ja sogar bemuttert. 07.08.2018 ca. 04:00 Uhr wir sitzen wieder auf dem Rad und nutzen die frühen Morgenstunden um Strecke zu machen, aber in den Hügeln ist es zäh und es wird schnell wieder heiß. Immer wieder trifft man auf einzelne Fahrer, die am Straßenrand Pausen einlegen. Größere Gruppen gibt es kaum noch, jeder fährt seinen Stiefel. Ich bin froh, meinen ständigen Begleiter an meiner Seite zu haben. Wir muntern uns gegenseitig auf, obwohl viel geredet wurde nicht mehr. Aber die bloße Anwesenheit war Motivation. 1000 km – wir schauen uns in die Augen und man erkennt die Frage: „Wollen wir uns das wirklich noch weitere 500 km antun?“ Die Antwort kam schnell. Jetzt haben wir uns soweit gequält und die Aussicht, dass die letzten 400 km leichter werden sollten, führten zu dem Beschluss: Klar ziehen wir das jetzt durch! Dennoch war es ein Tag der Qualen. Das Thermometer auf dem Tacho zeigte um die Mittagszeit 42°C und das Sitzfleisch meldete sich auch immer deutlicher. In den Bergen kann man ja viel im Stehen fahren, die richtige Sitzposition zu finden dauerte jedoch immer länger und war mit deutlichen Schmerzen verbunden. Dennoch schafften wir es bis ca. 14:30 Uhr nach Messinghausen, diesmal nahm ich den Schlussanstieg zu Fuß. Das übliche Prozedere und der Entschluss am Abend wieder zu starten und durch die Nacht zu fahren. So saßen wir 20:30 Uhr wieder auf dem Rad, um die letzten 400 km in Angriff zu nehmen. Es ging nochmal kurz bergauf und dann mit Rückenwind stetig bergab. Endlich mal wieder das Gefühl Rennrad zufahren. Es rollte gut und wir knallten über wahrscheinlich Deutschlands längste „Geradeaus-Straße“ durch den Abend. Geil!!! Aber irgendwann hat jeder Spaß ein Ende und in der Gegend um Herford, Bad Oeynhausen wurde es wieder wellig. Problematisch wurden die Abfahrten, es war inzwischen nach Mitternacht und somit stockdunkel. Teils fehlende Straßenmarkierungen und einsetzende Müdigkeit ließen uns hier doch eher verhalten unterwegs sein, um nicht einen Sturz zu riskieren. Es ging alles gut! Ab Bad Salzuflen wurde es wieder zäher. Es war zwar flach, aber irgendwie wurden die Kilometer nicht weniger. 40 km vor Lindern saßen wir kurzzeitig vor einer Sparkasse und wären am liebsten dort eingeschlafen. Das Thermometer zeigte die Nacht durch konstant 29°C und es war so schön kuschelig. Wir rafften uns dennoch auf und rollten Richtung letzter Hauptkontrolle. 20 km vor Lindern, es wurde langsam hell zogen wir uns Armlinge und Weste an, weil uns kalt wurde (wir hatten bestimmt immer noch 25°C). Ich denke, das zeigt schon deutlich, dass die letzten Tage ihre Spuren bei uns hinterlassen haben. Am 08.08.2018 gegen 05:00 Uhr waren wir dann in Lindern. Und Ihr wisst schon – das übliche Prozedere! Wir mussten Ruhen, wollten uns aber nicht ewig aufhalten. Ich habe wirklich mal fest geschlafen und wurde leider nach 1,5h durch einen nach uns eintreffenden „Extremschnarcher“ geweckt. Für mich war es damit wieder vorbei mit der Ruhe, Stefan hat ein wenig länger durchgehalten. Ich vertrieb mir die Zeit mit lecker essen, rumliegen und keine Ahnung. Ich spürte eine wachsende innere Unruhe und den Wunsch endlich wieder nach Hause zu kommen. Irgendwann Stefan geweckt, der zum Glück ein Schnellstarter ist und um 11:30 Uhr ging es auf die letzten 200 km.

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Der Wind kam irgendwie von hinten, irgendwie aber auch nicht so richtig. Dennoch rollte es ganz gut, allerdings gefühlt das gleiche Spiel – die Kilometer wollten nicht so recht weniger werden. Auf dem Sattel sitzen war schon lange kein Spaß mehr und bei härteren Schlägen durch Fahrbahnunebenheiten konnten wir uns schmerzendes stöhnen teils nicht mehr verkneifen. So jammerten wir uns, entlang langweiliger Strecke am Deich Richtung Heimat und wollten nur noch das es vorbei ist. Durch den Sachsenwald ging es wieder nach Großhansdorf. Wie es immer so ist am Ende kommt irgendwann die Freude und das Adrenalin. Also fährt man die Wellen bei Rausdorf und Großensee als Bergsprint. Die letzten Meter, wir rollen in Großhansdorf am 08.08.2018 um 20:42 Uhr unter Beifall ins Ziel. Well done!

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Wir werden von Flo, Johanna, Ronald, Birgit, Tobias und dem Audax Team in Empfang genommen und geehrt.

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Hier mit dem offiziellem Pokal

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und hier mit den richtigen und lang verdienten :Sehrlachend:

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Leute, das war eine echte Überraschung – Danke dafür!
Dann war die Luft raus, aber wir fühlten uns im Großen und Ganzen einigermaßen gut (was Adrenalin doch so anrichten kann). Das hat sich in den nächsten Tagen massiv geändert. Wir waren in einer Parallelwelt unterwegs und an wirkliche Aktivität war lange nicht zu denken. Noch heute, 14 Tage später habe ich an den kleinen Fingern Taubheitsgefühle und hoffe, dass diese bald verschwinden. Die Tour war eine ganz neue Erfahrung für uns, bei der leider der Spaß am Radfahren zeitweise gänzlich verloren gegangen war. Daher unser Fazit – Kann man machen, schreit aber nicht nach Wiederholung!
Ach ja, und auch das Thema P-B-P – ist zu den Akten gelegt! 1200 km sind keine Herausforderung mehr für uns. :Unentschlossen: :Sehrlachend:

Großer Dank gilt dem Audax Team, mit den Organisatoren und Helfern. Ihr habt einen super Job gemacht und einige von Euch wären wahrscheinlich lieber selbst gefahren. :GrosseZustimmung: :GrosseZustimmung: :GrosseZustimmung:

In diesem Sinne
Game on! Gruß Mario ;-)

Bildquellen: teils vom Audax-Team und teils aus unseren Reihen.
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Re: HBK 2018 - Berichte und Bilder

Beitragvon Indorain » 27.08.2018, 17:07

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UweK
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Re: HBK 2018 - Berichte und Bilder

Beitragvon UweK » 28.08.2018, 21:55

Wow Mario. Auch wenn ich schon vom HBK und ähnlichen Veranstaltungen gehört und gelesen habe, finde ich es immer wieder Klasse, wenn man sich der Herausforderung stellt.

Und bei solch einem schönen Bericht kann man auch nicht aufhören zu lesen und mitzuleiden.

Für mich ist das aber nichts.


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