Für Birte und Detlef ist der 20. August 2017 ein besonderer Tag. Heute starten sie als Tandemparter bei den EuroEyes Cylcassics in Hamburg. Birte lebt mit einer starken körperlichen Behinderung. Ihr Tandem ist eine Kombi aus Rollstuhl und Fahrrad. Dieses Tandem hat keinen E-Motor zur Unterstützung – es wird allein durch Detlefs Muskelkraft bewegt. 7 Gänge stehen ihm dabei zur Verfügung. Wer einmal bei dem Radevent „Rund um Hamfelde“ dabei war und mit einem ähnlichen Gefährt unterwegs war, wird wissen, wie anstrengend so etwas sein und werden kann.

2015 gab es noch die SpecialClassics, ein Rundstreckenrennen um die Binnenalster. 20 Minuten lang konnten sich dort die Athleten der Werkstätten und Einrichtungen im sportlichen Wettkampf messen. Eine Veranstaltung, die bei den Athleten sehr beliebt war. Nach dem Rennen war für viele von ihnen auch gleich wieder vor dem Rennen. Viele sagten glücklich und stolz nach dem Rennen: „Das war voll toll – nächstes Jahr fahre ich wieder mit“. Ein nächstes Jahr gab es indes nicht. Das City Management Hamburg, eine Lobbygruppe, die die Interessen eines Teils der in der City ansässigen Geschäfte vertritt, hat durch massive Proteste bei der Politik und im Bezirk erreicht, dass die Rennen der YoungClassics und SpecialClassics ab dem Jahr 2016 nicht mehr am Sonnabend vor den Cyclassics um die Binnenalster stattfinden. Angeblich würden die vielen Großveranstaltungen ihre Kunden vergraulen.
In der Wochenendausgabe des Hamburger Abendblatts vom 19./20.8.2017 rühmte sich Brigitte Engler, Geschäftsführerin vom City Management Hamburg erneut mit den Worten „Bei den Cyclassics beispielsweise haben wir erwirkt, dass die vorgelagerten Rennen am Sonnabend nicht mehr stattfinden.“

Dabei will Hamburg doch eine weltoffene Stadt sein …

Birte interessiert das alles nicht. Sie steht mit den Sportlern des Rauhen Hauses im Startblock und wartet darauf, dass es losgeht.

Die Sonne lacht vom Himmel und die Stimmung ist großartig. Es ist kurz nach 8 Uhr morgens als sie dann endlich auf die Strecke geschickt werden. Ich schaue ihnen hinterher und überlege, welche Herausforderungen auf sie zukommen. Die Brücke über die Eisenbahn in Langenfelde, der Galgenberg in Wedel, der Kösterberg mit seinen zwei Anstiegen und Teufelsbrück mit seinem Anstieg, der erst am Halbmondsweg (s)ein Ende findet. Für einen trainierten Radsportler stellen diese Wegpunkte kein großes Hindernis dar. Detlef ist Radsportler, er fährt privat Brevets und Superbrevets. An diesem Tag bewegt er rund 200 kg Gesamtgewicht allein durch Muskelkraft. Das bedeutet brennende Oberschenkelmuskel und einen schmerzenden Hintern. Mal im Wiegetritt zu fahren ist so gut wie unmöglich – dieses Tandem würde sich dadurch zu sehr aufschaukeln. Auch Kurven dürfen nicht zu schnell durchfahren werden. Allerdings gibt die Strecke auch viel zurück: die Party in Wedel, wo am Roland kräftig gefeiert und die Radsportler angefeuert werden. Am Kösterberg, wo Anwohner den Sportlern am Liebsten Flügel verleihen wollen. Und schlussendlich die Zielgerade, wo tausende Zuschauer die Teilnehmer mit ihrem Jubel ins Ziel tragen.

Birte durfte und konnte das alles hautnah erleben. Als sie und Detlef nach 2:22:59 Stunden in Ziel kommen, sieht sie glücklich aus und er ganz schön fertig und glücklich. Ich habe wirklich großen Respekt vor dieser Leistung und freue mich, dass sie Strecke gemeinsam gemeistert haben.

Ich hoffe sehr, dass Birte und Detlef auch nächstes Jahr wieder starten und mit ihnen noch mehr Einrichtungen den Mut finden an den Cyclassics teilzunehmen.

In diesem Jahr waren Einrichtungen aus Hamburg, Geesthacht und Norderstedt bei den Cyclassics am Start. Ermöglicht haben ihnen das u.a. Special Olympics Hamburg, Ironman und EuroEyes.

 

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