Mitverschulden bei Unfall beim Fahren ohne Helm?

Benutzeravatar
Helmut
Admin
Beiträge: 12394
Registriert: 03.04.2006, 22:15
Wohnort: Hamburg-Tonndorf
Kontaktdaten:

Beitragvon Helmut » 14.06.2014, 00:35

Hat Harterbrocken entdeckt - Die Deutsche Anwaltauskunftschrieb:

Vor dem BGH-Urteil: Tragen Radfahrer ohne Helm bei einem Unfall eine Mitschuld?

Erwachsene greifen beim Radfahren nur selten zum Schutzhelm. Rechtlich kann sich dann aber manchmal die Frage stellen, ob Radfahrer bei Unfällen eine Mitschuld an ihren Kopfverletzungen tragen. Kann ihnen der Schadensersatz gemindert werden? Nach Ansicht von Verkehrsrechtsexperten ist eine Mitschuld von Radfahrern ausgeschlossen, denn eine gesetzliche Helmpflicht gibt es nicht. Das erklärt die Deutsche Anwaltauskunft im Vorfeld der Entscheidung des Bundesgerichtshofs am 17. Juni 2014 (AZ: VI ZR 281/13) zur Frage der Mitschuld „unbehelmter“ Radfahrer bei Unfällen.

Insgesamt 15 Prozent aller Bundesbürger tragen beim Radeln einen Schutzhelm. Bei Kindern ist die Helmquote in den letzten Jahren stark gestiegen und liegt aktuell bei 75 Prozent. In Deutschland existiert keine gesetzliche Helmpflicht.

Tragen Radfahrer keinen Helm und verletzen sich bei einem Unfall am Kopf, kann sich die Frage nach der Mitschuld an den Verletzungen stellen und auch nach finanziellen Abstrichen beim Schadensersatz. „Ich bin zwar dafür, dass Radfahrer Helme tragen, aber ihre Mitschuld ist meiner Ansicht nach ausgeschlossen, wenn es keine gesetzliche Helmpflicht gibt und Helme auch noch nicht allgemein üblich sind“, erklärt Rechtsanwalt Jörg Elsner von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Eine Mitschuld bestehe bei Sport-Radfahrern.

Bei der Frage der Mitschuld bei Skifahrern, die in Unfälle verwickelt und ohne Helm unterwegs waren, sieht die Rechtslage demgegenüber anders aus. Demnach tragen „unbehelmte“ Skifahrer bei Unfällen eine Mitschuld. „Bei Skifahrern gibt es zwar wie bei Radfahrern keine Helmpflicht, aber beim Skifahren ist es inzwischen üblich, dass auf den Pisten Helme getragen werden“, sagt Verkehrsrechtsexperte Jörg Elsner. Für Skifahrer gebe es eine „quasi-Helmpflicht“.

Lesen Sie mehr zum Thema:

http://anwaltauskunft.de/magazin/mobili ... lm-tragen/
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
Benutzeravatar
Konkursus
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 969
Registriert: 13.08.2008, 09:11
Wohnort: zwischen Hamburg und Bremen
Kontaktdaten:

Beitragvon Konkursus » 14.06.2014, 15:13

also, ich halte jeden Radfahrer für mehr als leichtsinnig, der ohne Helm Rad fährt.

Und wie abstrus die obige Einschätzung ist, zeigt doch folgendes:

Ein Sportradfahrer, der mit angenommenen 30 km/h in einen Unfall verwickelt wird, soll eine Mitschuld tragen. Ein Nichtsportler (was immer das ist), der bei gleicher Geschwindigkeit verunfallt, soll keine Mitschuld tragen. Oder ist jeder Radler, der 30 km/h erreicht, ein Sportler? Wohl kaum, denn es gibt auch noch Abfahrten.

Verunfallt ein Erwachsener keine Mitschuld, da nur 15% mit Helm fahren und damit unüblich? Verunfallt ein Kind, Mitschuld (der Eltern), da üblich?

Es wird wirklich Zeit, dass hier eine klare Entscheidung ergeht. Da wir ja quasi in der WM-Zeit zu Hellsehern geworden sind, mein Tip: der BGH bestätigt die Entscheidung des OLG Schleswig.

Und wenn ich mich jetzt tierisch in die Nesseln setze (und ich wahrlich kein Freund der Versicherungswirtschaft bin), ich find´s gut. Damit die Radler endlich einmal mehr oder weniger gezwungen werden, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Denn mich stört so Einiges am Fahrverhalten der Radler und das Nichtbenutzen von Helmen gehört dazu.

Ko
Benutzeravatar
Helmut
Admin
Beiträge: 12394
Registriert: 03.04.2006, 22:15
Wohnort: Hamburg-Tonndorf
Kontaktdaten:

Beitragvon Helmut » 16.06.2014, 00:26

Spiegel Online hat sich ebenfalls des Themas angenommen, schreibt von immer mehr Helmträgern im Alltag.

http://www.spiegel.de/auto/aktuell/fahr ... 75280.html
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
Benutzeravatar
duerckheimer
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 101
Registriert: 26.05.2009, 12:56
Wohnort: Quickborn
Kontaktdaten:

Beitragvon duerckheimer » 16.06.2014, 09:06

Also ich schließe mich mehr oder weniger Konkursus an...
Ich hatte letztens schon auf Facebook nach dem "Warum" gefragt...

Ich fahre so oft und so lange wie möglich mit dem Rad zur Arbeit (je Strecke 26 km quer durch HH), mir begegnen viele andere Verkehrsteilnehmer. Bei den Radfahrern kann man grundsätzlich in 4 Gruppen unterscheiden:
- Alltagsradler (Einkaufen, Besuche) => max 18 km/h
- Fahrten zur Arbeit (Büromenschen) => max 25 km/h
- sportliche Fahrer => max 35 km/h
- Kuriere => nach oben offen, je nach Auftragslage ;)

Dass die Alltagsfahrer und Büromenschen keinen Helm tragen, kann ich ja noch "verstehen"... Bei Eltern stelle ich mir sehr oft die Frage (bei Familienausflügen mit dem Rad), was das für eine Vorbildfunktion sein soll... das Kind "muss" mit Helm fahren, weil es ja sicherer ist... die Eltern "brauchen" das aber nicht... :shock:

Viele Kuriere sind mit ihrer Fahrweise oftmals sowieso schon mit einem Fuß im Krankenhaus... ABER die sportlichen Fahrer mit Geschwindigkeiten zwischen 25 und 35 km/h, warum trägt nur die Hälfte (die mir begegnen) einen Helm??? Fahren mit einem teuren Markenfahrrad und in gepolsterter Hose, ABER OHNE Helm...

Warum ???

Ich trage auf allen Fahrten (ok, die 750 m durch die 30-Zone zum Einkaufen nicht unbedingt) einen Helm, egal ob ich mit Kind oder alleine unterwegs bin. Das hat für mich etwas mit Sicherheit, zumindest mit gefühlter Sicherheit, zu tun. Auch in gewisser Weise mit einer Vorbildfunktion (fahre an mehreren Schulen/Kindergärten vorbei) oder als Vorreiter...

Ich erhielt auf meine Frage einmal die Antwort: der Fahrtwind am Kopf ist sooo schön... :oops:

Eine grundsätzliche Helmpflicht würde ich nur bedingt begrüßen, schließlich muss das jeder selber wissen, aber einen Anstieg der Helmtragenden würde ich sehr begrüssen.
Gruß
Björn
Benutzeravatar
Heimfelder Dirk
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 1734
Registriert: 09.10.2010, 20:06
Wohnort: Seevetal - Horst
Kontaktdaten:

Beitragvon Heimfelder Dirk » 16.06.2014, 09:23

duerckheimer hat geschrieben:Fahren mit einem teuren Markenfahrrad und in gepolsterter Hose ABER OHNE Helm...

Warum ???
Über Fragen nach dem "warum" könnte man Doktorarbeiten schreiben. 3000Euro-RR, Klamotten für 500 Euro am Leib und in der Dämmerung oder im Nebel auf offener Landstraße wird ohne Licht gefahren. Mitgeführte Rücklichter werden nicht eingeschaltet: "Nö, is ja noch nicht ganz dunkel" :shock: . Für ca. 1,5 Cent anteilige Batteriekosteneinsparung kann man ja ruhig sein Leben (und das seiner Mitfahrer!) aufs Spiel setzten :mad: :mad:

Da frage die Leute noch mal nach dem "Warum".
:gruss:
dirk
Knud
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 1306
Registriert: 09.06.2013, 22:44
Wohnort: Hamburg

Beitragvon Knud » 16.06.2014, 23:05

Warum? Auch weil Menschen bequem sind.

Ein Kollegin hat mal gemeint, ihre Frisur würde unter dem Helm leiden. Mir haben am Rande von RTF durchaus schon Leute erklärt, dass sie keinen Helm tragen, wenn sie mit der Familie langsam fahren.

Ich fände mich unglaubwürdig, wen ich keinen Helm habe, aber meinen Kleinen zum Tragen anhalten will. Bei uns heißt es: "kein Meter ohne Helm". Dann muss auch damit rechnen, dass Kinder einem den Helm hinhalten. Gut so.

Was ich nicht so recht nachvollziehen kann, ist die Annahme, bis 25 km/h "Alltagsfahrer" ist der Helm weniger nötig. Und wer ist Sportfahrer? Bin ich Sportfahrer, wenn ich mit 22 km/h auf dem RR in Richtung Büro rolle?

Knud
Benutzeravatar
duerckheimer
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 101
Registriert: 26.05.2009, 12:56
Wohnort: Quickborn
Kontaktdaten:

Beitragvon duerckheimer » 17.06.2014, 08:34

Ich habe schon ein gewisses "Verständnis" für Büromenschen, die zum Beispiel im Kleid(chen) auf dem MTB ins Büro fahren und dabei nicht ihre Frisur "ruinieren" wollen, oder der Anzugträger ...

Fährst du mit Anzug auf deinem RTF-RR? wohl kaum...

Heute morgen zum Beispiel:
Ich (mit Helm ;) ) habe einen andere Radfahrer (ohne Helm überholt) - am Flughafen lang - Tempo 33-37
der fühlte sich wohl animiert mir folgen zu müssen...
wenn man so "schnell" fahren will, warum trägt man dann nicht einen Helm?
Gruß
Björn
Benutzeravatar
Orakel
B-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 89
Registriert: 12.08.2013, 16:34
Wohnort: Neumünster

Beitragvon Orakel » 17.06.2014, 11:53

Knud hat geschrieben: ... Warum? Auch weil Menschen bequem sind.

...Ein Kollegin hat mal gemeint, ihre Frisur würde unter dem Helm leiden.

Knud
Sehr richtig Knud, das sind die entscheidenden Punkte:
Bequemlichkeit und Eitelkeit, mehr nicht.

Sicherheit ist da erst einmal zweitrangig, denn die meisten Menschen verfahren nach dem Moto: Mir passiert das ja nicht...

Diese Diskussion gab es vor Jahren auch schon mal bei Motorradfahrern, Mofafahrern etc. alles nicht neu.
Jetzt sind die Radler halt dran.
Wer weiss vielleicht ja auch irgendwann mal die Fußgänger? :HaHa:

Zur Entscheidung heute orakle ich aber anders, als Konkursus.
Der BGH muss sich ja an die geltende Gesetzeslage halten, demnach wird das Urteil vom OLG Schleswig meiner Meinung nach kassiert, da es keine gesetzlich vorgeschriebene Helmpflicht für Radler gibt.
Ein BGH wäre aber kein BGH, wenn es dem Gesetzgeber nicht gleichzeitig Hausaufgaben für das Thema mitgeben würde.
Es kann ja nicht sein, dass ein Gericht der Politik die Arbeit abnimmt, hoffe ich zumindest.
sonja1
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 1214
Registriert: 30.04.2008, 17:04
Kontaktdaten:

Beitragvon sonja1 » 17.06.2014, 12:22

Ich hab gerade gelesen, daß der BGH der Radfahrerin vollen Schadensersatz zugesprochen hat. Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden. "
Sonja - die radelnde Anwältin

www.rechtsanwaeltin-richter.de
Benutzeravatar
Orakel
B-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 89
Registriert: 12.08.2013, 16:34
Wohnort: Neumünster

Beitragvon Orakel » 17.06.2014, 12:40

So, ich habe jetzt meinen Forumsnamen geändert.
Früher Sieveeik, jetzt Orakel.

Ihr findet mich in der Matrix!
Benutzeravatar
olaf
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 740
Registriert: 07.10.2008, 22:45
Wohnort: Duisburg

Beitragvon olaf » 17.06.2014, 13:27

Benutzeravatar
radfreunde
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 431
Registriert: 24.09.2006, 21:04
Wohnort: Rissen
Kontaktdaten:

Beitragvon radfreunde » 17.06.2014, 19:18

Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht, hier nur die gekürzte Pressemitteilung des BGH:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... s=0&anz=95

Man beachte den letzten Satz:
BGH hat geschrieben:Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.
Also fahrt besser mit Helm, nur zum Brötchen holen nicht unbedingt...

Gruß

wilf

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Ahrefs [Bot] und 1 Gast